Cloppenburg-Stapelfeld / Niedersachsen. Kreidebleich sei seine Großmutter gewesen bei seiner Geburt. Erst im Alter von 16 habe er von ihr erfahren, dass sie geschockt gewesen sei - damals im kalten Februar 1965 bei der Geburt ihres Enkels Rainer Schmidt.
Der Kabarettist, evangelische Pfarrer und Sportler, der eine eigene Variante von seiner Geburt erzählt: Wie ein Sektkorken aus der Flasche sei er aus dem Bauch rausgeschossen, beschreibt der international erfolgreiche Tischtennisspieler seine Sturzgeburt.
"Abgenutzt", würde er Kindern manchmal antworten auf die Frage, warum er keine Hände und nur verkürzte Arme habe. Mit dem Ergebnis, dass deren Finger schnell in den Hosentaschen verschwinden würden, gibt der 51-Jährige beim niedersächsischen Fachtag der Caritas-Behindertenhilfe vor 130 Zuhörerinnen nicht ohne Schadenfreude zum Besten.
Und es wird still im Raum als er ohne jede Hilfe und für jeden sichtbar den Kronkorken von einer Flasche nimmt, sich Mineralwasser in ein Weinglas eingießt und trinkt. Als er erklärt, wie er eine Art ausziehbaren Schuhlöffel nutzt, um ohne fremde Hilfe zur Toilette zu gehen. "Bevor mich in der Pause 100 Leute danach fragen, erklär ich‘s lieber einmal hier auf der Bühne", surft er zwischen dem schallenden Lachen der Zuhörer und ihrer Betroffenheit.
Er, dessen Schullaufbahn in einer damals sogenannten Sonderschule begann. Ausgeschlossen worden sei er damit vom Fußballspiel mit seinen Freunden am Nachmittag auf der Straße. "Die hatten eine andere Welt", erinnert er sich. Seine Lektion damals: "Ich gehöre nicht dazu."
Inklusion dagegen sei für ihn das genaue Gegenteil: "Sense of belonging - das Gefühl, dazu zu gehören." Schmidt: "Vor meiner Einschulung habe ich nicht gefühlt, dass ich kürzere Arme habe."
Später, als er den Wunsch hatte, Abitur zu machen, habe der Schulleiter ihn gefragt: "Rainer, was können wir tun, damit Du hier Abitur machen kannst." Für den Olympia-Sieger im Tischtennis genau der richtige Ansatz.
Wenn Erzieherinnen ein Kind mit Glasknochenkrankheit aufnehmen wollten bräuchten sie nicht auf teure, weit entfernte Fortbildungen gehen. "Laden Sie die Mutter ein. Die ist Expertin", sein Rat.
Gelungene Inklusion ist für ihn, "wenn Sie nicht zuerst denken ‚Der hat ja gar keine Hände‘".
Veranstalter war die Landesarbeitsgemeinschaft der Einrichtungen der Caritas-Behindertenhilfe in Niedersachsen. Teilgenommen haben überwiegend weibliche Mitarbeitende aus heilpädagogischen Kindertagesstätten und solchen mit Integrationsgruppen.
Dietmar Kattinger, 25.11.2016