Cloppenburg-Stapelfeld. „Der Anteil an verhaltensauffälligen Kindern steigt.“ So lautete ein Fazit der Stapelfelder Tagung „Betriebsstörung - Auffälliges Verhalten bei Kindern im Vorschulalter“ von Landes-Caritasverband und Katholischer Akademie am Donnerstag, 13. November. In heilpädagogischen Einrichtungen liege der Anteil verhaltensauffälliger Kinder inzwischen bei bis zu 30 Prozent, berichtete Petra Overkamp vom St. Vituswerk in Meppen.
Da die Gruppenstärke in regulären Kindertagesstätten etwa 25 betrage, seien die Mitarbeiterinnen mit verhaltensauffälligen Kindern dort häufig überfordert, beschrieben die Fachleute. Die Folge: Störende Kinder wandern ab in sogenannte „Integrationsgruppen“ mit nur 18 oder in heilpädagogische Einrichtungen mit nur sechs bis acht Kindern pro Gruppe. Und dies, obwohl letztere Einrichtungen primär für behinderte Kinder ausgelegt seien.
Rund 15 bis 20 Prozent aller Kinder im Alter von null bis 18 Jahren in Deutschland brauchen fachliche psychologische Beratung, sagte der frühere ärztliche Leiter der Rheinischen Kliniken in Viersen, Dr. Wilhelm Rotthaus.
Als häufigstes Krankheitsbild bei fünf bis 10 Prozent der Kinder nannte die Kinderärztin und Professorin Dr. Andrea Caby die sogenannte ADHS („Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung“). Mit ADHS-Kindern würde bisweilen 200 mal am Tag geschimpft und nur vier mal gelobt, berichtete Caby. Aufmerksamkeitsgestörte Kinder lassen sich beispielsweise leicht ablenken, werfen etwas um oder hören nicht zu.
Die Störung könne jedoch nicht nur durch Vernachlässigung
als dem einen Extrem, sondern auch durch ein „Zuviel“ an Betreuung und Angebot
als dem anderen Extrem entstehen, warnte Caby. „Eine Schere, die immer weiter auseinandergeht.“
„Während Kinder früher durch Mangel krank wurden, werden sie heute durch ein Zuviel krank“, lautete ihr Resümee. Noch nie habe es so gute Medikamente gegeben, aber gleichzeitig noch nie so viele dicke Kinder oder welche mit Sprachstörungen.
Schwimmkurs, Ballettunterricht oder der durchgestylte Geburtstag im Schnellrestaurant ließen keinen Raum mehr für die eigene Kreativität, kritisierte Caby. Zu Recht würden sich solche Kinder verweigern. Auch das einfache „Auf der Straße spielen“ gebe es selbst in ländlichen Regionen immer weniger.
„Wenn Kinder sagten, sie haben Langeweile, sollten Eltern sie beglückwünschen“, sagte Caby. Spielideen bekämen sie nach kurzer Zeit von alleine. Vielen Eltern fiele es allerdings schwer, die Langeweile ihrer Sprösslinge auszuhalten.
Gegen den Begriff der „Schuld“ von Eltern wandte sich Dr. Rotthaus. „Das stimmt nicht, dass sie schuld sind“, sagte der Mediziner und Kinderpsychiater. Vielmehr sollten sie in den Heilungsprozess einbezogen werden.
Wichtig sei ihm „nach vorne zu schauen“, statt die Ursache
einer Störung herauszufinden. Rotthaus’ Rat an die Eltern: „Loben Sie ihre
Jungen und Mädchen“. „Fragen Sie ihr Kind nicht, welche Probleme es im
Kindergarten hatte, sondern worüber es sich gefreut hat und wo es erfolgreich
war“, empfahl Rotthaus.
Zitat:
„Falsch erziehen geht gar nicht“,
Dr. Wilhelm Rotthaus (Bergheim)
Dietmar Kattinger, Referent für Presse- und
Öffentlichkeitsarbeit
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