Herr Kohl, Sie sind Mitarbeiter der Caritas-Beratungsstelle für Kinder, Jugendliche und Familien. Gibt es junge Menschen in Ihren Räumen, die daran denken, sich umzubringen?
Ja, da kommt häufiger im Jahr vor, dass Jugendliche mit dem Gedanken hierher kommen „Ich bringe mich um. Ich will nicht mehr leben“. Davon sind sowohl Jungen als auch Mädchen betroffen.
Was sind die Anlässe dafür?
Die Jugendlichen befinden sich in dem Moment in einer aus ihrer Sicht aussichtslosen Situation. Oft gehen dem Depressionen vorweg. Häufig hat das mit gescheiterten Beziehungen zu tun, mit Schuldruck, Mobbing oder Stress im Elternhaus. Das sind die häufigsten Ursachen, warum sich Jugendliche an uns wenden.
Und das Ende vom Lied ist eine gefühlte aussichtslose Situation!?
Genau. Aus ihrer Sicht wissen sie nicht weiter. „Ich fühle mich so alleine. Ich kann nicht mehr weiter.“ Dann der Gedanke. „Es ist am besten, ich bin gar nicht mehr da.“
Was sagt der Berater dazu? Was tut er?
Was man am besten nicht tun soll, ist die betreffende Person davon zu überzeugen, dass das ja alles nicht so schlimm sei. Also das Thema zu verharmlosen. Oder ihn zu überreden oder aufzumuntern. Das wäre kontraproduktiv, weil derjenige sich dann nicht ernst genommen fühlt. Er ist für sich in so einer Verzweiflung.
Und was soll man tun?
Ganz wichtig ist: zuhören, reden lassen, Fragen stellen, die Aussichtslosigkeit als Gefühl ernst nehmen. Mit der betroffenen Person ins Gespräch kommen. Das Ernstnehmen ist schon ein Riesenschritt, um überhaupt in Kontakt zu kommen. Normalerweise würde man sagen: „Ach, Du findest schon wieder jemanden.“
Zuhören, ernst nehmen: Ist das gleichzeitig Ihr Rat für Eltern, Lehrer, Freunde?
Genau. Das empfehle ich: sich auf die Ebene Des- oder Derjenigen zu begeben. Auf Augenhöhe zu gehen. Zu fragen: „Was hat dazu geführt, dass Du nicht mehr weiterweist?“ Manchmal gelingt ein solches Gespräch.
Und wenn es nicht gelingt?
Es gibt natürlich kein Patentrezept dafür. Wenn man das Gefühl hat, dass es gefährlich werden könnte, ist es wichtig, Den- oder Diejenige nicht alleine lassen und dafür sorgen, dass die Person in eine Klinik kommt. Eine Behandlung lohnt sich. Depressionen als Ursache beispielsweise lassen sich behandeln. Manchmal bedanken sich Jugendliche bei uns im Anschluss an einen solchen Klinikaufenthalt.
Was liegt Ihnen anlässlich des Welttages der Suizidprävention als Botschaft auf dem Herzen?
Nehmt Diejenigen ernst, die das von sich sagen. Keine Ratschläge geben, zuhören, Hilfe holen. Keine Alleingänge, sondern zum Arzt, zur Beratungsstelle, zum Psychiater oder Neurologen gehen.
Ihr Rat an die Jugendlichen?
Nehmt Euch ernst und holt Euch Hilfe. Wir nehmen Euch auch ernst.
Kontakt:
Beratungsstelle für Kinder, Jugendliche und Familien
Neuer Markt 30
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