Vechta / Friesoythe (LCV)
Es sieht aus, als
wäre es nichts Besonderes: wenn Stephan* Kupferdrähte mit der Zange so
verbiegt, dass sie danach in einem Holz-Vogelhäuschen den
Piepmatzen
als Sitzstange dienen.
In Wirklichkeit aber haben Mitarbeiter des
Job-Centers, seine Eltern und seine Lehrer die Köpfe zusammengesteckt, um den
16-Jährigen schließlich in die Lohner Jugendwerkstatt des Caritas-Sozialwerkes
zu vermitteln. Damit erfüllt Stephan seine Berufsschulpflicht.
„‘Was müssen wir jetzt machen
?‘
habe ich in der Schule immer gefragt. Da bin ich einfach
nicht mitgekommen“, erzählt Stephan, als sich Caritasdirektor Dr. Gerhard Tepe
in diesen Tagen vor Ort über die Lage in den Jugendwerkstätten informiert hat.
„Es gibt Menschen, die kommen in der Schule
nicht mit“, weiß Monika Gerhards, pädagogische Mitarbeiterin der Lohner
Caritas-Einrichtung. Damit, dass Stephan jung ist und ein Ziel vor Augen hat,
zählt er nicht zu den typischen Jugendlichen ihrer Einrichtung.
Neben mehrwöchigen Praktikanten aus Schulen
aller Art sei der typische junge Mitarbeiter vielmehr der zwischen 18 und 25,
arbeitslos und im Bezug von Arbeitslosengeld II, häufig verschuldet oder
in irgendeiner Form suchtmittelabhängig. „Es fällt ihm schwer, sein Leben
zu bewältigen“, fasst Gerhards zusammen.
Ihre und die Arbeit ihrer Kolleginnen und
Kollegen sei daher meist „Sozialarbeit mit einem beschäftigungstherapeutischen
Ansatz“. Vermittelt würde zunächst, pünktlich und höflich zu sein oder sich
schlicht abzumelden, wenn man erkrankt sei.
Häufig staune Monika Gerhards, wie die
Jugendlichen es überhaupt schafften, weiter zu leben. Während in bürgerlichen
Elternhäusern Hausaufgaben kontrolliert oder irgendwann Nachhilfe organisiert
würde, hätten diese Jungen und Mädchen so etwas nie erlebt. „Da liegen so viele
Steine auf dem Weg ins Berufsleben. Wir helfen, die wegzuräumen.“
Ausbildung abgebrochen, schwanger, obdachlos:
Iris Schulze, Leiterin der Jugendwerkstatt im sogenannten „Sozialen Briefkasten“
Friesoythe, weiß, dass bei solchen oder Fällen von Analphabetismus oft das
Ausfüllen von Formularen oder die Wohnungssuche einen Unterricht in der
Jugendwerkstatt unmöglich machen.
Dass sich ihre Arbeit dennoch lohnt, zeigt
ihr das Beispiel eines Jugendlichen, der nach bestandenem Schulabschluss fünf
Jahre zu Hause bei der Mutter gelebt hat, ohne zu arbeiten. Inzwischen sei er
geschätzter Auszubildender eines Supermarktes, der sich über Karneval nicht
frei nimmt, „weil die ohne mich nicht zurechtkommen“, wie er erzählt.
Für Caritasdirektor Tepe ein Beispiel dafür,
dass auch dieser Personenkreis – ausgegangen wird von 200.000 jungen Menschen
bundesweit, die durch viele Raster gefallen sind – „eine Teilhabeperspektive
brauchen.“ Für die Einrichtungen fordert er „eine sichere Finanzierung, um
nicht jedes Jahr neu um jeden Cent feilschen zu müssen.“
Die Jugendwerkstätten Lohne und Friesoythe
halten jeweils 16 Plätze für junge Menschen zwischen 15 und 27 vor. Daneben
weitere für Schulpraktikanten und Auszubildende.
Insgesamt gibt es im Oldenburger Land sechs
Jugendwerkstätten in katholischer Trägerschaft, die pro Jahr von insgesamt 200
Jugendlichen besucht werden.
Dietmar Kattinger
Referent für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Tel.: 04441/8707-640