Vechta.
Zu Beginn dieses Jahres hat die Caritas in
Niedersachsen den Pflegealarm ausgelöst. Die drei verantwortlichen katholischen
Bischöfe in Niedersachsen haben sich hinter die Anliegen der Pflegekräfte
gestellt. Am Dienstag, 7. Oktober, erwartet die Caritas über 1000
Altenpflegerinnen und Altenpfleger zu einer Abschlusskundgebung in Hannover.
Auch Herbert Macke, Pflegedienstleiter der Altenpflegeeinrichtung „Haus Teresa“ in Vechta, wird daran teilnehmen. In einem Interview mit der Pressestelle des Landes-Caritasverbandes für Oldenburg sagt er, warum:
Die Caritas hat den Pflegealarm ausgelöst. Haben Sie
innerlich mit auf den Knopf gedrückt?
Ich denke, es war höchste Zeit für diese Aktion. Im
stationären Altenheimbereich kann man nicht noch weiter kürzen. Kostenträger
können nicht noch länger sagen „Es geht auch mit weniger noch doppelt so gut“.
Das geht eben nicht. Wir können hier keine Computer hinstellen, die die alten
Menschen pflegen. Nur Menschen können Menschen pflegen.
Ich erlebe in unserer Gesellschaft oft die Mentalität
„Hauptsache der alte Mensch fällt uns nicht weiter zur Last“. Da müssen wir als
christliche Einrichtung einen anderen Standpunkt haben. Ich möchte sagen: „Der
Mensch steht tatsächlich im Mittelpunkt unserer Betrachtungen und wir wollen es
ihm gut tun.“ Nicht dem Kostenträger.
„Alarm“ ist ja ein starkes Bild. Wo brennt es bei
Ihnen im Alltag?
Mit einer Fachkraftquote von nur 50 Prozent hätten wir viel
zu wenig examinierte Mitarbeiter. Wir haben das Personal so eingestellt, wie es
uns vom Kostenträger zugebilligt wird. Aber wir merken: Obwohl wir etwa 60
Prozent Fachkräfte im Hause haben, ist das noch zu wenig. Das Hilfspersonal hat
zwar eine Ausbildung, sieht aber im beruflichen Alltag viele Dinge nicht. Und
es geht in der Altenpflege nicht nur um ein gebrochenes Bein.
Das zweite Problem ist, dass generell wenig Personal da ist.
Wir sind budgetiert, das heißt wir haben einen bestimmten Betrag zur Verfügung,
um Personal einzustellen. Das schöpfen wir mehr als voll aus, aber es reicht
nicht, um eine wirklich umfassende Pflege durchgehend zu gewährleisten. Das
heißt ganz praktisch, auf einem Bereich mit 20 Bewohnern habe ich 1 3/4 Pflegekräfte.
Das heißt knapp zwei Personen, die für 20 Personen in der
Pflege pro Schicht da sind. Ich habe aber auch schon Zustände, gerade in der
Urlaubszeit oder wenn Fortbildungen anstehen, wo ich teilweise nur eine
examinierte Kraft im Hause habe. Dann ist eine Fachkraft für 58 Bewohner
verantwortlich. Gesetzlich ist das möglich. Aber man muss klar sagen: Das ist
fachlich eine Notversorgung.
Und wenn sich nichts ändert, was glauben Sie, wo führt
das hin?
Die Qualität kann in diesem hohen Maße,wie sie gefordert
wird, nicht gehalten werden, das muss man ganz klar sagen. Eine Fachkraft kann
nicht alle Probleme von 50 Bewohnern kennen.
Die Hilfskraft jedoch kann es auch nicht, weil sie ja gar
nicht die notwendige Erfahrung und das Wissen hat. Auch wenn ich engagiertes
Personal habe, gehen einfach viele Dinge unter. Es wird viel Dokumentation
gefordert. Die kann aber - auch wenn manchmal wichtig - nicht in diesem Umfang
geleistet werden.
Wir arbeiten oft an unserem Limit.
Das bedeutet auch Druck für die Mitarbeiter. Wie lange
halten die das aus?
Das kann man hier für unser Haus ganz eindeutig sagen: Wir
haben schon eine hohe Fluktuation. Wir haben zwar einen guten Mix von jungen
und älteren Mitarbeitern, was ich für wichtig halte. Aber auf Dauer schaffen
Leute das maximal fünf Jahre. Dann sind sie ausgebrannt.
Wir haben auch ältere Kollegen – 55-jährige beispielsweise
–, die von sich aus sagen: „Ich möchte noch bis zur Rente arbeiten, aber ich
schaffe die 30 Stunden nicht mehr. Kann ich 20 Stunden arbeiten?“ Ich freue
mich, dass diese Personen dann überhaupt noch weiter arbeiten wollen.
Ich habe auch schon viele Kollegen getroffen, die gesagt
haben: „Ich habe zehn Jahre in der Altenpflege gearbeitet und jetzt will ich
nicht mehr und ich bin froh, dass ich da nicht mehr bin. Die Belastung halte
ich nicht aus.“
Was müsste sich ändern?
Ändern müsste sich einmal die Sichtweise, gerade in den
Verhandlungen mit den Kostenträgern. Ich glaube, es fehlt nicht unbedingt an
der Qualifikation unserer Mitarbeiter. Ich glaube schon, dass sie sehr gut
ausgebildet werden, auch im Hilfskraftbereich.
Nur ich kann eine hohe Qualität nicht erreichen, indem ich
immer mehr qualifiziertes Fachpersonal abbaue, es durch Hilfskräfte ersetze,
nur um mit der Kostenstruktur noch zurecht zu kommen.
Was fordern Sie?
Ich fordere von der Politik und auch von der Gesellschaft
insgesamt, dass sie sich einmal anschaut, was hier geleistet wird. Diese
Qualität gibt es eben nicht zum Nulltarif.
Es kann nicht sein, dass eine examinierte Schwester kaum mit
ihrem Gehalt auskommt, geschweige denn eine Familie damit versorgen kann,
eventuell sogar Nebenjobs annehmen muss, um selber über die Runden zu kommen.
Ich finde, dass eine vernünftige Bezahlung absolut notwendig ist.
Wenn Sie zaubern könnten, was würden Sie in ihrer
Einrichtung verändern?
Ich würde in dieser Einrichtung jeder Schicht mindestens
eine Person mehr zukommen lassen. Ich würde für einen gut aufgestellten
Sozialen Dienst sorgen, so dass einem Bewohner auch mal angeboten werden
könnte, ins Kino zu fahren oder so etwas. Es geht gar nicht um Gewinnüberschuss,
sondern darum, dass man auch wirklich mit einer schwarzen Zahl durchs Jahr
kommt.
Das finde ich ganz wichtig und nicht, dass die Kollegen
immer wieder hören müssen: „Es sieht nicht so gut aus, wir müssen noch mal auf
Gehaltsbestandteile verzichten.“ Die Kollegen tun das zwar, um ihren
Arbeitsplatz zu sichern und weil ihnen die Arbeit Freude macht. Aber ganz
ehrlich: Ich halte das für eine Zumutung!
Weitere Infos zur Einrichtung unter
http://www.hedwig-stift.de/html/haus_teresa.html
Interview:
Dietmar Kattinger
Referent für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Tel. 04441/8707-640