Oldenburger Land (LCV) Sie ist 19, als sie vor drei Jahren in eine Stadt im Oldenburger Land kommt. Fatima möchte sie genannt werden. Ansonsten unerkannt bleiben. Aus Jordanien kommt die kopftuchtragende Muslima damals. Dorthin ist sie mit im Alter von neun samt Familie und Freunden vor dem Krieg in ihrer syrischen Heimat geflohen.
"Probleme nach Probleme hatte ich", sagt die freundliche junge Frau und macht eine abfällige Bewegung mit ihrer rechten Hand. Probleme wie ihre fehlende Krankenversicherung. 700 Euro wollte ein Frauenarzt für ihre Behandlung als werdende Mutter. Die habe sie sich geliehen. Dann: massive Zahnschmerzen. Der Zahnarzt verlangte 200 Euro, bevor er ihr überhaupt in den Mund schaute.
Die wiederum habe sie vom Sozialdienst katholischer Frauen bekommen, auf den sie über eine Bekannte aufmerksam wurde. 55 Euro habe das Reinkucken schließlich gekostet, bevor es die Überweisung zu einem Facharzt gab. Der hat den Zahn schließlich gezogen. Die restlichen 145 Euro bekam sie vom Zahnarzt nach zwei Wochen zurück.
"Der SkF ist für mich wie eine Sonne", sagt die junge Frau nach einigem Überlegen auf die Bitte, den angefangenen Satz zu vervollständigen. Warum? Gut 30 Mal sei sie schon in den Räumen des katholischen Verbandes gewesen. Zwei Kinder hat sie inzwischen. Drei Monate und zwei Jahre alt. "Hier in dieser Stadt kenne ich niemanden", sagt sie. "Freunde habe ich keine."
Ihrer Beraterin vertraue sie komplett. Könne ihr sowohl die formalen Fragen anvertrauen, als auch die zum Vater ihrer Kinder. Von dem lebt sie inzwischen getrennt.
Ist Fatima typisch für die 2050 Frauen, die im vergangenen Jahr in die sechs Beratungsstellen von Caritas und Sozialdienst katholischer Frauen im Oldenburger Land kamen?
"Vermehrt", sagt die Beraterin, "gibt es solche Fälle." Bei manchen gehe es schlicht um "Überlebensprobleme". Erst, wenn die materielle Basis geregelt sei, könne man das Menschliche angehen.
Schwierig sei es für jemanden wie Fatima, eine Hebamme oder eine Gynäkologin vor Ort zu finden. "Und nicht 20 Kilometer auf dem Land, wo sie nur mit einem Auto hinkommt, das sie nicht hat."
Geklärt werden müssten Fragen des Aufenthaltsrechts, der Wohnungssuche und vermehrt der medizinischen Versorgung.
85 Prozent aller Klientinnen hätten ihre finanzielle Situation als erste Not genannt, berichtet Rita Schute, beim Landes-Caritasverband für die katholische Schwangerenberatung im Oldenburger Land zuständig.
Gefolgt von rechtlichen Fragen bei 70 Prozent aller Ratsuchenden. Überhaupt, so Schute, seien die Klientinnen "sorgenvoller" geworden in Anbetracht der "Poly-Krisen". Und auch das hätten die katholischen Beraterinnen zwischen Nordsee und Dammer Bergen beobachtet:
Einerseits Paare, die einen aufwändigen Lebenswandel führen und sich durch die Geburt ihres Kindes vor Einschränkungen fürchten. Und andererseits Frauen und Paare, "für die der verpflichtend digitale Antrag beim Jobcenter eine echte Hürde ist."
Während die meisten Zahlen stabil geblieben seien, so Schute, habe es 2023 bei sexualpädagogischen Kursen in Schulen eine Steigerung von 313 auf 379 Maßnahmen gegeben.
Beachtlich auch die Vermittlung von finanziellen Hilfen für bedürftige Schwangere ins Oldenburger Land: 1111 Anträge hat die Bundesstiftung Mutter und Kind mit knapp 800.000 Euro bewilligt. Weitere 80.000 Euro kamen 229 Frauen von den kirchlichen Stiftungen "Bischofsfonds", Tenhumberg- und Welker-Stiftung zu Gute. Weitere Infos: Landes-Caritasverband, Rita Schute. Tel. 04441/8707-0.
Für einen Kasten:
Katholische Beratungsstellten für Fragen rund um die Schwangerschaft gibt es in Trägerschaft der Caritas in Brake, Delmenhorst und Wilhelmshaven sowie in Trägerschaft des Sozialdienstes katholischer Frauen in Cloppenburg, Oldenburg und Vechta
Pressemitteilung
Bei manchen geht es um das nackte Überleben
Erschienen am:
21.03.2024
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