Cloppenburg / Vechta / Varel.
Besorgt
über einen drohenden Pflegemangel hat sich jetzt der stellvertretende Direktor
des Landes-Caritasverbandes für Oldenburg, Dr. Martin Pohlmann (Vechta), geäußert.
„Dass wir einen Ärztemangel haben, ist im Bewusstsein der Bevölkerung
angekommen.“ Nicht aber, dass auch Schwestern und Pfleger knapp zu werden
drohen.
Pohlmann,
Mitglied im Vorstand des Katholischen Krankenhausverbandes Deutschlands (KKVD),
beruft sich dabei auf eine Studie des Deutschen Instituts für angewandte
Pflegeforschung. Danach sind zwischen 1996 und 2008 rund 50.000 Vollzeitstellen
in der Pflege abgebaut worden.
Den am
Horizont sichtbaren Pflegemangel bekommt seit rund drei Jahren die
Pflegedienstleiterin und Prokuristin in der Jade-Weser Hospitalgesellschaft,
Birgit Töben (Varel), zu spüren. Zum einen sei es schwer, Pflegestellen in
sogenannten „Funktionsbereichen“ wie Anästhesie, OP-Bereich oder
Intensivmedizin angemessen zu besetzen. Früher sei das hingegen kein Problem
gewesen.
Aber
auch die zehn Stellen für Schwestern und Pfleger mit drei- bis fünfjähriger
Berufserfahrung, die sie jedes Jahr auf Grund natürlicher Fluktuation füllen
muss, seien schwer zu besetzen. Vor allem, wenn es darum ginge, die Lücke einer
routinierten Kraft zu schließen.
Lediglich
direkt nach den Examen in den Krankenpflegeschulen im Herbst könnte Töben auf
einen Schlag 50 Pflegekräfte einstellen. Übers Jahr verteilt sei der Markt aber
fast „wie leer gefegt“. Sätze wie „Pflegen kann doch jeder“ – teilweise auch
aus der Politik zu hören und als Lösung angeboten - verärgern die
Pflegedienstleiterin im höchsten Maße. Pflege ist für sie „ein Beruf der Nähe“,
für den man neben der fachlichen Kompetenz „einfühlsam, diszipliniert, sensibel
und zuverlässig sein muss“. Eigenschaften, die nicht jeder mitbringe.
Als eine
Strategie, um dem Mangel entgegen zu wirken, hat sie in ihrem Haus so genannte
„Versorgungsassistentinnen“ eingeführt. Personen also, die das Pflegepersonal
bei täglichen Arbeiten auf der Station unterstützen und patientenferne
Tätigkeiten etwa im Servicebereich übernehmen.
Für Töben ist klar: Fehlende Fachkräfte nur mit Pflegehilfskräften aufzufüllen,
ist in Anbetracht zunehmender Spezialisierung und immer höherer Taktzahl in der
alltäglichen Arbeit keine Lösung. Jedoch könnten dadurch examinierte
Pflegekräfte entlastet werden, damit diese sich wiederum stärker um die
Versorgung der immer älteren und kränkeren Patienten kümmern können.
Eine
weitere Strategie im St. Johannes Hospital: Den Pflegeberuf insgesamt
attraktiver gestalten. Ein Beispiel dafür ist die Einführung des „Case
Management“ (dt. Fallsteuerung). Gesundheits- und Krankenpfleger, eigens dafür
eingestellt, sowie eine Sozialarbeiterin planen den gesamten Klinikaufenthalt
der Patienten von dessen Aufnahme bis zur Entlassung. Eine anspruchsvolle
Tätigkeit, die von Pflegekräften als positive Herausforderung betrachtet werde.
Unter
anderem, weil das Organisieren von Arbeitsabläufen zu den Stärken von
Pflegekräften gehöre. Für Birgit Töben auch ein Ansatz, um ein Abwandern in
andere Berufszweige in den kommenden Jahren zu verhindern.
Als
„ernst“ bezeichnet auch Dieter Elbers aus Cloppenburg die Lage. Seit 19 Jahren
Leiter der Krankenpflegeschule des St. Josefs-Hospitals, bekam 2006 noch 400
Bewerbungen pro Jahr für einen von 33 Ausbildungsplätzen. 2010 lagen nur noch
250 Umschläge in seinem Briefkasten.
Neben
gesunkenen Geburtenraten sieht der versierte Lehrer im Gesundheitswesen weitere
Gründe für den Rückgang an Bewerbungen. Die Erfahrung, Oma oder Oma zu Hause zu
pflegen und daran Freude oder eine persönliche Fähigkeit zu entdecken, werde
auf Grund wandelnder Gesellschaftsformen immer seltener gemacht.
„Auch
wird bei einer Berufswahl zunehmend „rational“ entschieden“, bedauert Elbers.
Da führen Schicht- und Wochenenddienst bei nicht allzu hoher Bezahlung eher zu
Minuspunkten für den Pflegeberuf. Dazu kämen deutlich gestiegene Anforderungen
– alleine durch gestiegene Fallzahlen.
Eine
Lösung sieht Elbers sowohl vor Ort als auch auf höherer Ebene. Im Raum
Cloppenburg sucht er den Kontakt zu Schulabgängern aller Schularten oder über
eine neue Internetplattform für Ausbildungswillige. Dort soll jeder auf Anhieb
sehen können, welchen Gesundheitsberuf er mit dem jeweiligen Schulabschluss
ergreifen kann oder was gegebenenfalls noch dazu nötig ist. Mit der
Vorverlegung des Schuljahresbeginns von 1. Oktober auf den 1. August wolle man
Berufsanfängern ebenfalls entgegenkommen.
Dass der
Laptop im Pflegeunterricht zwischen Physiologie und Gerontologie zum Einsatz
kommt, ist für Elbers ebenso selbstverständlich wie ein Unterricht auf dem
neuesten medizinisch-wissenschaftlichen Stand.
Wenn
solche Konsequenzen in der Ausbildung allerdings nicht gezogen würden, könne es
sein, dass irgendwann keine Bewerbungen mehr für den Beruf des Gesundheits-
oder Krankenpflegers kommen. Es müsste dann versucht werden, Pflegekräfte im
Ausland zu gewinnen. In letzter Konsequenz hieße es, Stationen zu schließen,
weil es die Schwester dafür nicht mehr gibt, warnt der Cloppenburger.
Für gut
hält Elbers daher Angebote zur Fort- und Weiterbildung beispielsweise der
Caritas. Auch die Akademisierung des Berufes durch ein Projekt ab Herbst 2011
hält er für einen Weg, um die Pflege qualitativ auf zu werten. Interessierte
können in Zusammenarbeit von Fachhochschule und Bildungswerk Osnabrück sowie der
Krankenpflegeschule Quakenbrück „Pflege“ studieren. Ihr Titel im Anschluss
„Bachelor of science in Pflege“.
Dietmar Kattinger
Referent für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
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