Vechta. „Die Wahrscheinlichkeit einer niedersächsischen Familie mit drei Kindern, arm zu werden, liegt bei 33 Prozent“, sagte Dr. Hans-Jürgen Marcus am Samstag, 19. April, im Vechtaer Antoniushaus. „Eigentlich müsste man vor drei Kindern warnen“, folgerte der Hildesheimer Caritasdirektor im Rahmen eines Fachtages für Ehrenamtliche unter dem Titel „Wenn Kinder bei uns arm sind...“.
Als „ökonomische Katastrophe“ bezeichnete Marcus, dass es 15 Prozent überforderte Elternhäuser in Deutschland gäbe. Marcus: „Können wir es uns leisten, dass 15 Prozent der Kinder lebenslang auf Unterstützung angewiesen sind?“
Bundesweit gelten nach Aussage des Referenten 13,5 Prozent der Bevölkerung oder 11 Millionen Menschen als arm. Unter ihnen 1,9 Millionen Kinder bis zum Alter von 15 Jahren. In Niedersachsen seien es rund 14 Prozent. 200.000 von Ihnen seien Kinder oder Jugendliche. Als arm gelte, wer weniger als 60 Prozent des durchschnittlichen Haushaltseinkommens zur Verfügung habe.
Zu unterscheiden sei zwischen absoluter Armut wie in der Dritten Welt und relativer Armut. Letztere liege dann vor, wenn der Kinderwagen auf Kredit gekauft werden müsse, die Tochter wegen eines fehlenden Geschenks nicht zum Geburtstag der Freundin gehen oder in den Schwimmverein eintreten könne.
Armut wirke sich auf Bildung aus. So hörten Kinder aus ärmeren Familien nur einen Bruchteil der Worte von Kindern aus besser gestellten. Der Fernsehkonsum sei stark erhöht und qualitativ schlechter.
Während die Deutschen bundesweit jährlich 4,9 Milliarden Euro für Nachhilfe ausgäben, würden nur sechs Prozent ärmerer Kinder davon profitieren, sagte Marcus.
Katholischen Gemeinden riet der Theologe und Pädagoge: „Beginnen Sie jede Sitzung mit der Frage: Wie geht es den Armen in unserer Gemeinde?“ Dann werde die Kirche neu missionarisch werden.
Zitate:
„Eigentlich müssten wir
in Niedersachsen vor drei Kindern warnen.“
Dr. Hans-Jürgen Marcus zur Tatsache, dass das Risiko einer Familie mit drei
Kindern in Niedersachsen arm zu werden bei 33 Prozent liegt.
„Ich werde Hatz IV“
Antwort eines Kindes auf die Frage, was es später einmal werden will.
„Wir sollten lernen,
öffentlich mit Respekt über Armut zu reden.“
Dr. Hans-Jürgen Marcus
Dietmar Kattinger, Referent für Presse- und
Öffentlichkeitsarbeit, Tel. 04441/8707-640