Landkreis Cloppenburg / Oldenburger Land. Um sechs Uhr in der Frühe zieht sie die Haustüre hinter sich zu: Nora aus dem Landkreis Cloppenburg. Um sechs Uhr, weil sie den Bus nach Löningen erreichen will, um wiederum rechtzeitig um 10.00 Uhr in Cloppenburg zu sein. Dort, wo sie zu der Zeit den Journalisten treffen will. Zusammen mit ihrem Mann Noushin, ihrem kleinen Sohn Hamza und dem Baby in ihrem Bauch, das am 11. Oktober zur Welt kommen soll.
Nora, die 2011 ihre syrische Heimat verlassen hat, als damals 21-Jährige. Als jemand, so berichtet sie, die an der Universität Aleppo Arabisch studierte.
Die auf der Flucht über die Türkei ihren heute 28 Jahre alten Mann Noushin kennen lernt. Später als Schwangere im Wald schläft, Angst vor Wildschweinen und Füchsen hat. Die 30 Kilometer zu Fuß geht, voller Furcht, wieder zurück geschickt zu werden. Die schildert wie andere werdende Mütter ihr Kind verloren haben.
Der in einem benachbarten Land im Krankenhaus gesagt wird, sie solle ihr Kind doch in Syrien gebären und nicht hier und die man mit einer abfälligen Handbewegung am liebsten weggeschickt hätte.
"Here I feel relaxed", sagt sie jetzt in 3.000 Kilometer Entfernung. Und meint: Das Entscheidende, was sie bei einem Besuch in einer Schwangerschaftsberatungsstelle oder auch bei der Caritas erlebe, ist, "entspannt sein zu können".
Hier halte niemand die Hand auf und verlange 50,00 Euro dafür, einmal ein Telefonat zu übersetzen oder mit zur Sparkasse zu gehen, wie sie es bei nicht wenigen Landsleuten erlebe. Mitflüchtlinge, die aus Vielem versuchten, ein Geschäft zu machen oder die vorgäben, keine Zeit zu haben, weil sie arbeiten müssten. "I must money", laute der Satz.
Ein Dolmetscher - unentbehrlich für die Mitarbeiterinnen in den katholischen Beratungsstellen für Schwangerschaftsfragen. Frauen aus Rumänien und Bulgarien klingeln dort zunehmend an der Türe, so Caritas-Fachberaterin Rita Schute. Um sechs Prozent sei die Zahl insgesamt gestiegen gegenüber 2014. Gut ein Fünftel der 2326 Klientinnen komme aus dem Ausland.
Eine Zahl, die sich mit der Erfahrung beispielsweise von Gabriele Emken-Schmidt vom SkF Cloppenburg deckt. 30 Prozent ihrer Arbeitszeit entfalle inzwischen auf zugewanderte Frauen. Werdende Mütter, die keinen Frauenarzt hätten, kein Wort Deutsch sprächen, nicht wüssten, was ihnen bei einer Geburt rechtlich zustehe, denen sie eine Art "Erste Hilfe in der Schwangerschaft" leisten müsse.
Emken-Schmidt, die nicht selten deutschen Arbeitgeber ein "So geht das aber nicht" entgegensetze, weil beispielsweise einem jungen Au-Pair-Mädchen sofort gekündigt wurde, als sie schwanger geworden sei.
Angehende Mütter, denen die Beraterinnen auch zur Seite stehen, weil eine Schwangere zusammen mit fünf jungen Männern im gleichen Haus untergebracht sei, so Schute.
Frauen, die wie Nora dankbar sind. "80 Prozent der Deutschen sind gut", sagt sie. Und bietet dem Journalisten, der die Familie nach dem Gespräch vor die Haustüre fährt, blass und übermüdet, mit schlafendem Kind auf dem Arm, einen Tee an.
Katholische Beratungsstellen gibt es in Cloppenburg, Delmenhorst, Nordenham, Oldenburg, Wilhelmshaven und Vechta. Zusammen mit ihren Außenstellen stehen sie allen Frauen offen, unabhängig von Nation und Religion. Die Hilfe ist kostenlos. Während der Schwangerschaft sowie in den ersten drei Lebensjahren bietet sie Beratung, Begleitung und konkrete Hilfen an.
Dietmar Kattinger, 27.06.2016