Das berichtete der Verantwortliche der Einrichtung in Trägerschaft des Caritas-Sozialwerks, Reinhard Schwarze, anlässlich einer Bundeskonferenz zum Thema ‚Geschlossene Unterbringung‘, die noch bis zum kommenden Mittwoch in Lohne (Landkreis Vechta) stattfindet.
Sechs der aufgenommenen Jungen zwischen 10 und 14 Jahren seien in ihre Familien zurückgekehrt, acht wurden im Bereich der Caritas weiter betreut. "Die meisten von ihnen haben wir erreicht", bilanzierte Schwarze. Zu allen gebe es nach wie vor Kontakt.
40 Prozent von ihnen stammten aus Niedersachsen, 60 Prozent aus anderen Bundesländern, so der Pädagoge.
Konzept erweitert
Auch wenn das Konzept um zwei offene Plätze innerhalb der Wohngruppe erweitert worden und die Mauer an einigen Stellen durchbrochen worden sei, "halten wir am Konzept der Abgrenzung fest", sagte Schwarze. 280 Anfragen habe es bisher insgesamt gegeben. Der Aufnahme vorausgehen muss ein richterlicher Beschluss.
Im Falle eines positiven Bescheids dauert sie bis zu einem Jahr.
Typisch für Jungen in geschlossenen Einrichtungen seien zu Beginn der Arbeit mit ihnen Sätze wie: "Mir hat hier überhaupt niemand was zu sagen." Viele kämen direkt von der Straße. Teilweise seien sie körperlich verwahrlost.
Ausrasten beim Brot-Abräumen
"Typisch für Mädchen sei, dass sie weggelaufen sind, im Schnitt 14 bis 16 Jahre, aber auch mal 12 Jahre jung sind; dass sie schon viele Maßnahmen durchlaufen und ein bis zwei Aufenthalte in der Kinder- und Jugendpsychiatrie hinter sich haben", berichtete Heike Konzelmann, Sprecherin des "Arbeitskreises GU 14plus", dem Veranstalter der Lohner Tagung.
Sowohl Jungen und Mädchen sei gemeinsam, dass sie "lebensbedrohliche Situationen erlebt hätten, in denen niemand auf sie geachtet habe", berichteten die Fachleute. Ein solches Schockerlebnis, Trauma genannt, würde im Gehirn regelrecht eingefroren und könnten durch spätere ‚Trigger-Erlebnisse‘ wieder wachgerufen werden.
So könne ein Jugendlicher regelrecht ausrasten, nur weil er gebeten wird, ein Brot vom Tisch abzuräumen.
Am schlimmsten: Gewalt + Erniedrigung
Als stärkste Form des Traumas beschrieb die Kinder- und Jugendpsychotherapeutin Jutta Unger aus Damme Gewalt in Verbindung mit Erniedrigung. Ein seelisches Schockerlebnis könne sich nicht nur durch körperliche Gewalt entwickeln, sondern beispielsweise auch dann, wenn ein Erstklässler ein halbes Jahr lang höre, "dass er der letzte ist, mit dem man nicht spielen will", sagte Unger.
Gegen einen falsch verstandenen Ansatz von geschlossenen Unterbringung wandte sich Konzelmann: "Es geht nicht darum, jemanden wegzusperren und ihn zu brechen." Ziel sei vielmehr, mit ihm eine Form zu finden, "wie er einen Weg zurück in die Gesellschaft finden kann". Dazu könne die zeitlich befristete Unterbringung eine Form der Hilfe sein, muss es aber nicht.
'Geschlossen' bedeutet nicht 'Gefängnis'
Wenn eine Einrichtung merke, dass sich ein Kind über einen längeren Zeitraum zu 100 Prozent gegen das Angebot der Hilfe wende, werde die Zusammenarbeit beendet und nach eine anderen Form der Hilfe gesucht, machte Konzelmann klar.
"Wir lehnen die Aufnahme von Jugendlichen auch ab, wenn wir nicht das Gefühl haben, dass wir die richtige Stelle für ihn sind", grenzte Schwarze ab. Bundesweit gibt es bis zu 1000 Plätze für Kinder und Jugendliche in geschlossenen Einrichtungen. Die 14 zum Arbeitskreis gehörenden Institutionen bieten 208 Plätze an.
Prälat Kossen: "Dort geschieht zutiefst kirchliches Handeln"
Als "erlösendes Handeln" hat Prälat Peter Kossen die Arbeit in der intensivtherapeutischen Wohngruppe Lohne bezeichnet. Dort lebten "keine Monster; Sie sind Opfer und es sind Kinder", sagte er im Rahmen seiner Begrüßung. Die Arbeit des Personals sei urkirchliches Handeln und Grund dafür, ihm zu danken.
Im Rahmen der Tagung werden auch die Ergebnisse der wissenschaftlichen Begleitung der GITW Lohne vorgestellt.
Text: Dietmar Kattinger, 11.05.2015
Pressemitteilung
„Es geht nicht um Wegsperren oder Brechen"
Erschienen am:
12.05.2015
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