Vechta / Oldenburger Land.
Muss ein
alkoholkranker Mann in seinen letzten Lebenswochen nachts immer wieder gedreht
werden, um ein Wundliegen zu verhindern? Oder darf die Nachtwache ihn einfach
auch mal durchschlafen lassen? Wie umgehen mit dem Wunsch einer 73-jährigen
Bewohnerin nach
Suizid
?
Ethische Fragen, die im
Alltag der Altenpflege immer wieder auftauchen. Ein Grund, warum der
Landes-Caritasverband für Oldenburg das Thema in den letzten zwei Jahren in
Form eines Projekts aufgegriffen hat. Aus den Händen von Projektleiterin
Cornelia Wichmann gab es am Dienstag, 4. Juni, im Jugendhof Vechta Zertifikate
für die Beteiligten.
Das Ergebnis der zwei
Jahre: Bei sieben Einrichtungsträgern mit elf Altenheimen und einem ambulanten
Dienst aus dem Oldenburger Land können ethische Konflikte künftig durch sogenannte
‚ethische Fallbesprechungen‘ gelöst werden.
Unter der Leitung
eines ausgebildeten ‚Moderators‘ kommen fünf bis sieben in der Regel ethisch
geschulte Mitarbeiter eine Stunde lang zusammen. Dazu kann der technische
Leiter ebenso gehören wie die Diätassistentin oder die Pflegefachkraft.
Nachdem der Fall
vorgestellt und jeder Teilnehmer seine ‚emotionale Betroffenheit‘ geäußert hat
(„Das ärgert mich“, „Das macht mich traurig“) wird als ethische Frage etwa
formuliert: „Ist es ethisch vertretbar, dass eine 73-jährige demente Bewohnerin
auf den Wunsch ihrer Kinder hin keine Flüssigkeit per Infusion zugeführt bekommt?“
Bevor abgewogen wird,
welche Werte im Konfliktfall gegeneinander stehen, kommt es schließlich zu
einer Abstimmung. Keines der Mitglieder darf sich enthalten, die Argumentation
wird niedergeschrieben, das Votum ist bis zu einer neuen Entscheidung für alle
bindend.
„Was bisher eine
Bauchentscheidung war, ist jetzt professioneller“, ist eine Altenpflegerin vom
System der ethischen Fallbesprechung angetan. Als sehr wertvoll erlebt eine
Kollegin das Prinzip auch deshalb, „weil wir gegenüber den Angehörigen jetzt
mit einer Stimme sprechen.“ Es werde verhindert, dass die eine Schwester dies
sage, ihre Kollegin jenes.
Schon jetzt positive
Auswirkungen zeige das Projekt beispielsweise in der Sozialstation
Garrel-Bösel
, berichteten Karin Brinkmann und Marita
Westerkamp
. Vorher sei das Thema nicht als eigener Bereich
behandelt worden. Insgesamt wurden 27 Moderatoren ausgebildet. Die fachliche
Leitung hatten die Ethik-Experten Stefan Kliesch (Oldenburg) und Dr. Stefan
Sander (Osnabrück). Teilgenommen haben: Sozialstation (
Bösel
/
Garrel
), Pius-Stift (Cloppenburg), Stiftung Maria
Rast (Damme), St. Leo-Stift (Essen), St. Elisabeth-Haus (Friesoythe), St. Hedwig-Stiftung
(Vechta), Pflegezentrum
Johanneum
(Wildeshausen).
Dietmar
Kattinger
Referent für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Tel. 04441/8707-640