Cloppenburg-Stapelfeld / Oldenburger Land / Mainz (LCV) Die Toleranz in Deutschland, abweichende Meinungen anderer zu ertragen, "hat erheblich abgenommen". Das beklagte der frühere ZDF-Intendant Dr. Thomas Bellut am Donnerstag, 19. Mai, in der katholischen Akademie Stapelfeld beim 14. "Abend der Caritas".
Sorgen bereite ihm, dass 20 bis 30 Prozent der Bürger durch ARD und ZDF sowie andere Medien nicht erreicht würden, sagte der aus Neuenkirchen-Vörden (Landkreis Vechta) stammende Journalist vor rund 100 Gästen aus Politik, Verwaltung und Kirche.
Zu den nicht Erreichbaren gehörten AFD-Wähler, Reichsbürger, Querdenker, Skeptiker, aber auch Menschen, die sich der öffentlichen Kommunikation einfach ganz entzögen. Bellut: "Diese Gruppe beunruhigt mich sehr."
Viele von ihnen seien überzeugt, dass Kanzler oder Ministerpräsidenten unmittelbaren Einfluss auf "Heute Journal" oder die "heute-Nachrichten" nähmen. Bellut: "Es ist in 40 Jahren kein einziges Mal vorgekommen, dass ich eine Berichterstattung an den Wünschen Dritter ausrichten musste."
Nur in "nationalen Notfällen" hätten Bundespräsident und Kanzler in ZDF und ARD das Recht, Zeit für Ansprachen einzufordern. Kanzler Scholz habe dies beispielsweise im Ukraine-Krieg in Anspruch genommen.
Als Gegengewicht zur Macht der Medien mahnte der gebürtige Südoldenburger eine ständige Fähigkeit der Selbstkritik an besonders bei öffentlich-rechtlichen Anstalten.
Im Blick auf den Journalismus forderte er weiter, auch in anscheinend klaren Situationen kritische Stimmen zu Wort kommen zu lassen. Beispielsweise bei den Themen ‚Waffenlieferungen in die Ukraine‘ oder beim Atomausstieg.
Abweichende Meinungen hätten es grundsätzlich schwerer, weil jede und jeder, der sie vertritt, eine besondere Wucht der Argumentation" entwickeln müsse, um seine Botschaft in die Nachrichten zu bringen. Das Problem - so der frühere ZDF-Verantwortliche - sei, "dass der Hauptstrom der Meinungen und Ansichten allzu oft auch die Breite der medialen Behandlung von Themen definiert".
Gegen eine "Zweiklassengesellschaft unter geflüchteten Menschen" sprach sich Caritasdirektor Dr. Gerhard Tepe in seiner Begrüßung aus. So sollten nicht nur ukrainische, sondern alle Geflüchteten eine sofortige Arbeitserlaubnis bekommen. Vergünstigungen sollten für alle geflohenen Männer und Frauen angepasst werden.
Darüber hinaus würdigte Tepe die großen Spenden von fünf Unternehmen aus Südoldenburg sowie die Nordwest-Zeitung für Ihre Spendenaktion. "Ich danke aber ebenso jeder alleinerziehenden Frau und jedem Rentner, der oder die zehn Euro von seinem Wenigen abgespart hat." Auch das Vorbild an Solidarität sei im Rahmen von Spenden wertvoll. Tepe: "Meinen großen Dank gilt allen, die in irgendeiner Form solidarisch waren und sind."
Bellut ist 1955 in Osnabrück geboren, aufgewachsen in Neuenkirchen-Vörden (Landkreis Vechta). Sein Abitur hat er 1974 Abitur am Gymnasium Antonianum in Vechta gemacht. Bis März 2022 war er zehn Jahre lang Intendant des Zweiten Deutschen Fernsehens (ZDF).
Als vorheriger Programmdirektor hat er Sendungen wie ‚ZDF Spezial’ oder ‚Was nun, …?‘ etabliert.
Eine weitere Verbindung zur Caritas gibt es: Belluts Vater war Chefarzt an der psychiatrischen Erwachsenenklinik der Clemens-August-Stiftung in Neuenkirchen-Vörden.
Den Abend der Caritas gibt es seit 2008. Zu den Rednern früherer Jahre gehörten Hans-Gerd Pöttering, Heribert Prantl oder Dr. Thomas de Maizière. Veranstalter ist der Landes-Caritasverband für Oldenburg mit Sitz in Vechta.
Pressemitteilung
Früherer ZDF-Intendant Bellut beim ‚Abend der Caritas‘
Erschienen am:
20.05.2022
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