Landkreis Vechta (LCV). Äußerlich sieht man es ihr und der Wohnung nicht an: der ovale Nussholztisch, gebackener Butterkuchen, alle Gewürzdöschen in Reih und Glied über dem Herd.
Und auch das Erzählen darüber, wie es anderen in einer Depression geht, lässt noch nicht ahnen, was Marianne* selbst durchlitten hat. "Ich habe richtig Schmerzen gehabt", erzählt sie. Aber niemand habe einen Grund finden können. Auch der Rheumatologe nicht, bei dem sie dann aber in der Praxis zusammengebrochen sei und nur noch geweint habe.
Die Mutter - zu jener Zeit an Krebs erkrankt, die Scheidung musste noch bewältigt werden und das Kind war da, schildert die heutige Mitfünfzigerin ihre Zeit vor einem Klinikaufenthalt.
Wie ihr schlimmster Tag in der Depression aussieht? "Dann kann man nachts nicht schlafen", schildert Marianne begleitet von Tränen. Der Körper fühle sich schwer an, versteinert. "Man bleibt dann morgens liegen, sagt sich: ‚Dann probiere ich es in einer halben Stunde noch mal.‘" Aber diese halbe Stunde könne auch zum ganzen Tag werden. "Und dafür hasst man sich gleichzeitig wieder", gibt sie ihre Gefühle wieder.
An weniger schlimmen Tagen hätte sie zwar ihr Frühstück geschafft, bliebe dann aber auch mal drei Stunden sitzen und grüble. "Und man merkt gar nicht, dass schon drei Stunden vergangen sind", sagt sie. Man sei vergesslich, könne sich schlecht konzentrieren, habe ‚black outs‘ und das Gehirn wie leer geblasen, beschreibt Marianne, die heute sehr wohl auch immer mal lachen kann.
Und das auch, weil sie 2013 eine Selbsthilfegruppe im nördlichen Landkreis Vechta gegründet hat, zu der sie jetzt neue Mitglieder einlädt. In dem Zusammenschluss für Burn-Out-Personen, Depressive und Menschen, die an Ängsten leiden, verstehe man sich sofort, ist Marianne dankbar.
"Wenn ich da sage, dass ich gestern den ganzen Nachmittag auf dem Sofa gelegen habe, weiß jeder sofort, was das bedeutet." Von Seiten der Verwandtschaft hörten Depressive dagegen oft "Reiß Dich zusammen!" oder "Stell Dich nicht so an!". Das treibe diejenigen aber noch mehr in ihre Angst hinein, regelrecht in Existenzängste, sagt Marianne.
Meist wüssten die Erkrankten das ohnehin alles selbst. "Sie sind ja nicht dumm, sie können es nur nicht umsetzen." Ihr aus eigenem Leiden erwachsener Appell: "Geben Sie einem Depressiven nie einen Ratschlag!" Ratschläge seien dann wie Schläge.
Weitere Interessierte für die Gruppe, die sich zwei Mal pro Monat trifft, können sich melden bei der Kontakt- und Beratungsstelle Selbsthilfe des Landes-Caritasverbandes, Melanie Fischer, Tel. 04441/8707-0.
Dietmar Kattinger, 12.08.2016