Landkreis Vechta (LCV) Mehrere Tonnen Müll, Tierkadaver, Essensreste: Das ist das, was aus einem Haus entfernt werden musste,
nachdem der Sozialdienst katholischer Frauen (SkF) in Vechta die rechtliche Betreuung übernommen hat. Zwei Menschen haben in dem Haus gelebt. Im Wohnzimmer nur ein Sofa frei, auf dem man liegen konnte.
"Kein alltäglicher Fall", sagt Helga Nordiek, Leiterin des Bereichs ‚Rechtliche Betreuung‘ beim SkF. Das Thema ‚Vermüllung‘ allerdings komme häufiger vor. Voraus gehe meist über Jahre hin Vereinsamung, die Scham, seine Not offen zu legen, oder bei Menschen, die noch den Krieg erlebt haben, beispielsweise die Angst, zu verhungern.
Sie und ihre Kolleginnen und Kollegen müssen in solchen Fällen überprüfen: "Gibt es eine Krankenversicherung? Wird die Miete bezahlt? Gibt es ein Grundeinkommen?" Ein verwahrloster Garten müsse da erst mal warten.
159 Personen aus dem Landkreis Vechta werden derzeit durch den SkF betreut. Das von sieben hauptamtlichen Mitarbeitenden, die sich 3,4 Vollzeitstellen teilen. Dazu kommen 74 ehrenamtliche Betreuer.
Psychische Erkrankungen bilden mit rund 47 Prozent den häufigsten Grund dafür, dass Menschen aus dem Landkreis Vechta eine fremde Person brauchen, welche für sie die Finanzen regelt, Miet- oder Erbfragen.
Geistige Beeinträchtigungen folgen mit 24 Prozent als zweithäufigste Ursache gefolgt von Demenz oder körperlicher Einschränkung mit 18 Prozent. 11 Prozent aller Betreuungen beim SkF Vechta gehen auf die Folgen einer Suchterkrankung zurück, berichtete Nordiek. "Männer und Frauen: Das hält sich ungefähr die Waage", so die Expertin.
Ein Trend: Immer häufiger kämen junge Menschen in die Betreuung. Teilweise hochverschuldet. Junge Erwachsene, denen lebenspraktische Fähigkeiten fehlen, schildert Nordiek. Die manchmal noch "nachreifen" müssten.
Fälle, in denen Klienten anfangs zweimal die Woche je 30 Euro bar auf die Hand bekommen, weiß Geschäftsführerin Christiane Priester. Weil sie, wenn ihr Einkommen auf dem Konto stehe und mit der Plastik-Karte jederzeit verfügbar sei, kein Gefühl dafür hätten und das Konto in der ersten Woche nicht selten leergeräumt sein könne.
Menschen, die zwar vom Intellekt her wüssten, was zu tun sei, schildert Priester, die aber auf Grund ihrer psychischen Erkrankung "nicht ins Tun kommen".
Menschen, denen die Mitarbeitenden des SkF manchmal "die Türen zum Leben wieder öffnen müssen", beschreibt Nordiek in Anlehnung an die diesjährige Kampagne des Deutschen Caritasverbandes. Grundsätzlich seien die jüngsten Klienten 18 Jahre alt, die ältesten 80. Zehn Prozent hätten Migrationshintergrund.
"Ein wichtiges Anliegen", würdigte Caritasdirektor Dr. Gerhard Tepe den Wert der Betreuungsarbeit. Allerdings ein Bereich, dessen Versorgung seit Jahren gefährdet sei. Bundesweit hätten sich im kirchlichen Bereich auf Grund der Unterfinanzierung daher viele Vereine davon verabschiedet.
So seien es über 10.000 Euro, mit denen der SkF Vechta jährlich beispielsweise aus Spenden das Defizit in diesem Bereich ausgleichen müsse. Sowohl die Querschnittsarbeit wie Infoveranstaltungen oder die Schulung Ehrenamtlicher seien nicht ausreichend finanziert. "Aber auch die Fallpauschalen sind mit unserem Tariflohn nicht vereinbar", stellt Priester klar.
Zwar bliebe den Sozialarbeiterinnen manchmal nur, ihre Klienten in den Tod zu begleiten. Zwar könnten in anderen Fällen nur den "Status Quo" erhalten. Immer wieder gebe es aber auch Erfolgsgeschichten: Wenn Betreute eine Ausbildung starten würden. Oder Fälle wie der der jungen autistischen, vom SkF betreuten Frau, die jetzt ein Buch veröffentlicht hat.
Hinweise:
Der SkF Vechta sucht immer Ehrenamtliche, die eine rechtliche Betreuung übernehmen möchten. Sie werden in die Arbeit eingeführt und von Hauptamtlichen begleitet. Weitere Infos unter www.skf-Vechta.de oder unter Tel. 04441/ 92900.
Pressemitteilung
Immer mehr junge Menschen brauchen rechtliche Betreuung
Erschienen am:
20.02.2025
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