Herr Dr. Romberg, der vermutliche Selbstmord von Robert
Enke schockiert und beschäftigt die Menschen gerade in Niedersachsen.
Warum
bringen sich Menschen um?
Es handelt sich um eine Verengung
der Wahrnehmung, die immer mehr zunimmt: Die Betroffenen sehen in der Regel nur
noch den Ausweg der Selbsttötung. Sie befinden sich wie in einem Tunnel. Die
meisten Menschen, die aus dieser Situation wieder herausgeführt werden können,
sagen hinterher, wenn sie wieder klar blicken: „Ach, an diese Möglichkeit hatte
ich ja überhaupt nicht gedacht.“ Aber in der Tunnel-Situation sehen die
Menschen nur noch das eine.
Woran kann ich erkennen, dass jemand Selbstmordgedanken hegt?
Die meisten Menschen, die einen
Suizid begehen, senden vorher Signale. Sätze fallen wie “Ich kann nicht mehr“
oder „Das ist alles so schwer“. Oft spürt die Umgebung auch: „Da ist etwas“
oder „Dem geht es nicht gut“. Solche Signale sollte man ernst nehmen. Gerade
wenn Menschen sich in einer für sie selbst ausweglos scheinenden Situation
befinden.
Der Betroffene zeigt oft nur die
Spitze seines Eisberges. Er testet, ob sein Gegenüber quasi „andockt“ im
Gespräch. „Hellhörig zu werden“ ist die zentrale Botschaft an das Umfeld der
Betroffenen.
Was soll man tun?
Das wichtigste ist, dass man als
Angehöriger, als Freund nicht denkt, „Wenn ich es anspreche, werden die
lebensmüden Gedanken verstärkt“. Das Gegenteil ist vielmehr der Fall. In der
Regel entlastet das die Betroffenen, weil sie sich mit diesen Gedanken selbst
quälen.
Wenn schon ein Suizidversuch
begangen wurde, ist es umso wichtiger, aktiv auf den Betroffenen zu zu gehen.
Auch direkt zu fragen „Denkst Du über Selbstmord nach?“ oder „Hast Du solche
Gedanken?“
Wenn die Umgebung den Betroffenen
nicht anspricht, ist es für die verzweifelte Person irgendwann so, dass die
Entscheidung getroffen ist. Danach wirkt die Person für ihre Umgebung oft
erstaunlich erleichtert. Die Bekannten denken dann „Dem geht’s ja wieder gut“.
Leider ist das ein Trugschluss: Wir nennen das „Präsuizidales Syndrom“.
Derjenige ist deshalb entlastet, weil er sich für den Suizid bereits
entscheiden hat. Und bei Kindern und Jugendlichen ist der Suizid immerhin die
zweithäufigste Todesursache.
Interview: Dietmar Kattinger
Referent für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Tel.: 04441 / 8707 - 640