Cloppenburg-Stapelfeld. Nicht "ideologisch verzerrt einen Weg für alle zu zementieren", hat der Oldenburger Professor Dr. Heinrich Ricking im Rahmen eines landesweiten Caritasfachtages zum Thema ‚Inklusion und Tagesbildungsstätten‘ gefordert.
Vielmehr gelte es die besten Bedingungen zum Wohl des jeweiligen Kindes zu schaffen, sagte er am Dienstag, 3. Februar, in der Katholischen Akademie Stapelfeld vor über 250 Lehrern und weiteren Pädagogen aus ganz Niedersachsen.
Während das Flächenland lange Zeit "Schlusslicht" in Sachen ‚Inklusion‘ gewesen sei, mache Niedersachsen langsam Fortschritte, berichtete der Oldenburger Professor für Sonder- und Rehabilitationspädagogik. So liege die derzeitige Inklusionsquote bei 8,5 Prozent. 50.000 Schüler zwischen dem Harz und der Nordsee bedürfen einer Förderung.
Bundesweit hätten 0,5 Millionen Schüler oder 6,6 Prozent aller zur Schule Gehenden einen Förderbedarf. Die Inklusionsquote in der Bundesrepublik liege derzeit bei 28 Prozent. Möglich seien jedoch 70 bis 80 Prozent, so Ricking. In Finnland würde bereits heute jedes 5. Kind im Laufe seiner Schullaufbahn einmal Förderung bekommen, berichtete der Hochschullehrer.
Um die Inklusion weiter voranzubringen, müsse vor allem an der Haltung der Deutschen gearbeitet werden, sagte Ricking. Diese wiederum könne sich durch gute Inklusionserfahrungen verändern.
Förderschulen und Tagesbildungsstätten "werden nicht überflüssig und nicht ausbluten", stellte die stellvertretende Staatssekretärin im niedersächsischen Sozialministerium, Claudia Schröder, in Aussicht. Wohl aber würden die Eltern entscheiden und damit Richtungen bestimmen.
Durchlässigkeit und Wahlfreiheit dürften nicht als Scheitern von Inklusion verstanden werden, mahnte Schröder. "Immer muss es auch Wege zurück geben." Glücklicherweise seien Zwangseinweisungen in Förderschulen nicht mehr möglich, freute sich Ricking.
Dass Tagesbildungsstätten immer mehr zu einer Art "Restschule" werden, beklagte die Referentin für Behindertenhilfe, Nicole Nordlohne.
"Rahmenbedingungen, die eine auskömmliche Finanzierung ermöglichen", forderte Caritasdirektor Dr. Gerhard Tepe von Krankenkassen, Kommunen, Landkreisen und dem Land Niedersachsen in seiner Begrüßung.
Ein gelungenes Beispiel für Inklusion beschrieb Grundschulleiterin Denise Haim aus Lingen. Gemeinsam mit den Schülern der Tagesbildungsstätte "Mosaik-Schule" in Lingen gebe es inklusiven Sport-, Kunst-, Werk- und Textilunterricht. Zunehmend werde auch Mathematik und Deutsch gemeinsam unterrichtet.
Durch gemeinsame Klassenfahrten träfen sich auch Eltern behinderter und nicht-behinderter Kinder ganz selbstverständlich. Demnach werde auch kein Kind mehr gesondert eingeschult, berichtete Hermann Kiepe von der Mosaik-Schule.
In Niedersachsen gibt es derzeit 3.500 Plätze in 72 Tagesbildungsstätten. Letztere unterliegen dem Einflussbereich des Sozialministeriums, im Gegensatz zu Förderschulen, die ins Ressort des Kultusministeriums fallen.
Zitat:
"Kaum Menschen mit einer geistigen Behinderung haben die Nazi-Zeit überlebt."
Claudia Schröder,
stellvertretende Staatssekretärin im nds. Sozialministerium
"Inklusion bedeutet nicht, Türen aufzumachen, damit jemand herein kann, sondern Wände zu versetzen, damit alle drin sein können."
Prof. Dr. Heinrich Ricking, Oldenburg
Dietmar Kattinger
Referent für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Tel. 04441/8707-640