Aber nur ambulant. So kann die Frau aus dem Südkreis Vechta von der Zeitspende erzählen.
Zeit hat sie sich früher selbst genommen. Mit 17 die Ausbildung begonnen arbeitet die gebürtige Südoldenburgerin 41 Jahre in ihrer Heimat als Krankenschwester. Hat unzählige Menschen auf ihrer Station aufgenommen, ihnen zur Heilung verholfen und viele auch in den Tod verabschiedet.
Selbst kaum krank
"Kaum einen Tag war ich in all den Jahrzehnten krank", blickt sie auf ihren Dienst in weiß zurück. Und hört an einem Morgen von einem Mann ebenfalls in weiß ihre eigene, bösartige Diagnose.
Sie, die ohne Mann und ohne Kinder lebt, ist plötzlich selbst auf Pflege angewiesen. Wie eng die getaktet ist, weiß kaum jemand besser als die knapp 60-Jährige.
Zeit ist Gold
Dass die Caritas-Sozialstation in Damme die Möglichkeit hat, auch mal eine halbe Stunde länger zu bleiben, ist für Maria "Gold wert", erzählt sie im durch die Sonne aufgeheizten Wintergarten ihres Hauses mit Blick ins Grüne. Finanziert wird diese Möglichkeit von der durch die Caritas in Vechta verwaltete "Stiftung Benno und Clara Leiber".
Seit 18 Monaten kann die Sozialstation Damme dadurch Patienten Zeit widmen, die keine Krankenkasse je finanzieren würde. Wenn ein Witwer etwa zum Grab seiner Frau möchte und da alleine nicht hinkäme.
Vier bis fünf Patienten pro Monat
Auch eine Begleitung zum Arzt oder einfach in den Park sei möglich, berichtet Andrea Pellenwessel, Caritas-Sozial- und Pflegeberaterin der Dammer Sozialstation St. Elisabeth.
Generell profitierten vier bis fünf Patienten pro Monat von der Initiative. Menschen, die genau ausgewählt werden, weil sie keine Angehörigen haben oder finanziell weniger gesegnet seien. Kolleginnen der Sozialstation berichten Andrea Pellenwessel mit den Worten: "Ich glaube, es täte gut, wenn wir hier etwas mehr Zeit investieren könnten."
"Ich spüre, wer gehetzt ist"
"Zeit ist das größte Geschenk", sagt Maria Müller. Besonders in der Anfangszeit ihrer Therapien, als es ihr körperlich und seelisch sehr schlecht ging.
Im Alltag merke sie genau, wann eine Schwester gereizt sei, wann sie unter Druck stehe. "Da brauche ich gar nicht auf die Uhr zu schauen", erzählt Maria.
"Alte Menschen haben Zeit verdient"
Auch an Pflegekräften ziehe der Zeitdruck nicht spurlos vorbei. "Sie leiden darunter genauso", klagt Andrea Pellenwessel, die Maria Müller im Rahmen des Projekts ‚Zeitspende‘ häufig selbst besucht.
Denn von einem Punkt ist die 37-Jährige Pflegefachkraft überzeugt: "Im Alter steht es einem zu, dass man etwas von der Zeit zurückbekommt, die man in jungen Jahren anderen gegeben hat", sagt die gebürtige Dammerin mit Nachdruck.
Alte sind Ausgeschlossene unserer Tage
Worte die fast exakt gleich eine Stunde später aus dem Mund von Stifterin Clara Leiber kommen: "Zurecht spenden wir in unserer Gesellschaft viel für Kinder. Aber die alten Menschen haben es ebenso verdient."
Zählten sie heute doch häufig zu den aus der Gesellschaft Ausgeschlossenen. Verschärft träfe es die, "die nicht vorsorgen konnten", sagt die in Damme geborene und dort lebende Mitt-Siebzigerin.
"Ich bin sehr krank"
"Flötenunterricht zu fördern, das war nicht mein Ding", beschreibt Clara Leiber ihr Anliegen. Vielmehr möchte sie denen mit kleiner Rente dazu verhelfen, "ein Stück Freiheit zu erleben". Oder denen etwas Gutes tun, die sonst kaum jemanden haben.
So wie Maria Müller. Die zwar manche Dinge mit Freunden oder Verwandten bespricht. "Aber manches erörtert man auch gerne mit Fremden", gesteht die Frau, die die Frage wie krank sie sich einschätzt mit "sehr krank" beantwortet.
Manches bespricht sich mit Fremden leichter
Großer Vorteil: Mit den Pflegekräften kann sie auch über eine Patientenverfügung sprechen, über Sondenernährung oder über das Für und Wider von Intensivstation. Themen, die Nahestehende manchmal gar nicht hören wollten. Nicht aus bösem Willen, sondern weil sie es kaum aushalten und schnell in ein Vertrösten verfallen: "Das wird schon wieder."
Wie sie ihre Befindlichkeit heute auf der Skala von eins bis zehn einordnet? "Mit sieben", sagt Maria stolz. Deshalb nimmt sie nach dem Journalistengespräch und einer Ruhepause auch noch eine Einladung zum Kaffee Trinken wahr. Und fährt mit dem Auto. "Das kurze Stück traue ich mir zu", sagt sie. Aber, das ist nicht jeden Tag so.
Zur Info:
Knapp 3.000 Euro hat die durch den Landes-Caritasverband verwaltete "Stiftung Benno und Clara Leiber" bisher für die ‚Zeitspenden‘ investiert. Unter IBAN DE 18 400602650040 079200 - BIC GENODEM1DKM bei der Darlehnskasse Münster eG (DKM) bittet Clara Leiber um Zustiftungen zu ihrer Initiative. Weitere Infos: Caritas-Gemeinschafts-Stiftung, Doris Hintze, Tel. 04441/8707-0
*Name geändert