Wilhelmshaven / Cloppenburg / Oldenburger Land. "Ich weiß nicht wie ich die Miete im kommenden Monat bezahlen soll", sagt sie. Die 24-Jährige mit den verzierten Fingernägeln und den geflochtenen, nach oben gesteckten Haaren. Sie, die man auf der Straße im Raum Wilhelmshaven nicht erkennen würde als Mutter eines achtwöchigen Jungen, die keine 352 Euro für ihr Dach über dem Kopf aufbringen kann.
Damit ist - nennen wir sie Maren - eine typische Klientin in der Schwangerschaftsberatung in Wilhelmshaven. Die Bitte um finanzielle Hilfe sei für viele werdende Mütter so etwas wie eine 'Eintrittskarte' zur Caritas, sagt die dortige Beraterin Marion dos Santos.
Und stimmt damit fast wörtlich mit der Cloppenburger SkF-Geschäftsführerin und Beraterin für Schwangere, Marga Bahlmann, überein: "Für viele ist die Erstausstattung auch heute noch eine große finanzielle Belastung." Oder erst der Umzug in eine größere Wohnung.
Gefolgt von Geldsorgen stünden Fragen zu Hartz IV, dem Mietkostenzuschuss oder der Kostenübernahme für ein neues Bett an zweiter Stelle im Beratungszimmer. Also keine emotionalen Themen? Nicht die Frage nach dem Halten des Kindes? Die nach dem Stillen?
Doch sagt dos Santos. "Aber erst später." Wer nicht wisse, wie er die Miete zahlen soll, mache sich keine Gedanken um die Babymassage oder den Pekip-Kurs. Und häufig löse der ungeordnete rechtliche Rahmen ein emotionales Chaos erst aus. "Oft sind beide Themen engstens miteinander verquickt", so dos Santos, die sich wie auch Bahlmann häufig als Lotsin für die Frauen durch den Dschungel des rechtlichen Systems fühlt.
Ein Dickicht, das für die werdenden Mütter undurchschaubar wirke. Eine typische Klientin habe einen gering entlohnten Job als Frisöse oder Arzthelferin, schildert dos Santos. Ihr Partner verlässt sie in dem Moment, wo er von der Schwangerschaft erfährt.
"Einer aus der Gruppe Männer, die häufig nur noch vor dem PC sitzen oder das Daddelgerät in der Hand halten." Sätze wie "Ich arbeite doch schon, dann muss ich mich doch nicht auch noch um unser Kind kümmern", seien keine Seltenheit, berichtet die Caritas-Beraterin aus Wilhelmshaven. Schwanger gewordene Frauen schleppten in solchen Beziehungen "ein Riesenpaket mit sich und haben Angst".
Schlimm werde es für dos Santos, wenn sie merke, dass Gewalt zwischen den werdenden Eltern im Spiel sei. Oder wenn Drogen und Alkohol konsumiert würden. Wenn die eigene Verantwortung - auch für den Körper - nicht gesehen und alle Schuld nur auf das Jobcenter geschoben werde.
Zu unterscheiden allerdings beispielsweise von schwangeren Auszubildenden, die von einer Behörde gerne mal zur anderen weitergereicht würde, so wie Maren. "Durch die Caritas-Beratung habe ich den Mut bekommen, auch ein zweites Mal zu einem Amt zu gehen und mich nicht abwimmeln zu lassen", sagt sie heute stolz.
Ohne die Beratungsstelle wäre sie "vielleicht einfach zu Hause geblieben". Sie, deren Kindsvater den Schritt des Zusammenziehens ebenfalls nicht wagt und der "auf keinen Fall noch mal ein zweites Kind in die Welt setzen will." Maren, die sich einfach nur wünscht, in den nächsten Monaten mein Kind in Ruhe groß zu ziehen."
Damit gehört die 24-Jährige zu den 65 Prozent Ratsuchenden deutscher Herkunft im Vergleich zu der in der Küstenstadt stark gestiegenen Zahl von 35 Prozent mit ausländischen Wurzeln (2013: noch 15 Prozent). Darunter viele Analphabeten. "Frauen, die gerade mal drei Kreuze machen können als Unterschrift", berichtet die Wilhelmshavener Sozialpädagogin. Werdende Mütter aus 42 unterschiedlichen Nationen.
Frauen aus Polen, Rumänien oder Bulgarien, die schwanger werden ohne krankenversichert zu sein und die dann eine Arztrechnung nach Hause bekommen, berichtet Bahlmann aus dem Cloppenburger Raum. An beiden Stellen sei das ergänzende Angebot aus dem Bereich der ‚Frühen Hilfen‘ ein sehr Wertvolles, das nach Bahlmanns Worten "hervorragend greift".
Eine Familienhebamme beispielsweise werde in Cloppenburg deshalb von Frauen unterschiedlichster Herkunft angekommen, weil es das Wort ‚Hebamme‘ in allen Kulturkreisen positiv besetzt gebe, erzählt die Beraterin. "Dann kann eine Familienhebamme auch nichts Schlechtes sein", so das Vertrauen vieler Ratsuchenden.
Dankbar ist Caritas-Fachberaterin Rita Schute (Vechta) für die 461 Veranstaltungen, durch die offizialatsweit im präventiven Bereich viele 100 Jugendliche erreicht würden. Möglicherweise erklärt sich daraus auch ein Rückgang an Schwangerschaften ganz junger Frauen, den Eva-Maria Wempe-Muhle vom SkF Vechta im letzten Jahr beobachtet hat.
Zahlen, Daten, Fakten:
In den sechs katholischen Beratungsstellen für Schwangerschaftsfragen wurden 2014 genau 2202 Frauen beraten (2012: 2216 Frauen). 80 Prozent waren schwanger, 12 Prozent kamen nach der Geburt.
52 Prozent verfügten über keinen Berufsabschluss.
461 Veranstaltungen wurden offizialatsweit im präventiven Bereich durchgeführt.
Beratungsstellen rund um das Thema Schwangerschaft gibt es in Trägerschaft des Sozialdienstes katholischer Frauen in Cloppenburg (Außenstellen: Barßel, Friesoythe, Löningen), Oldenburg (Außenstelle: Westerstede) und Vechta (Außenstelle: Damme). Die Caritas unterhält Stellen in Delmenhorst, Nordenham (Außenstelle: Brake) und Wilhelmshaven (Außenstellen: Varel, Schortens). Weitere Infos unter www.lcv-oldenburg.de.
Dietmar Kattinger,
Referent für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit