P. Anselm: Sie haben im letzten Jahr ein Buch über die ‚Gier‘ veröffentlicht. Wie kamen Sie auf das Thema?
Gier ist ja in aller Munde. Die ganzen Finanzskandale waren von Gier geprägt. Jetzt bei Volkswagen: Da hat auch die Gier zugeschlagen und man merkt wie schädlich sie sein kann.
Ist Gier eher ein gesellschaftliches oder ein innerseelisches Phänomen?
Sowohl als auch. Gier wird in der Gesellschaft offenbar, aber es ist auch wichtig, dass wir nicht nur auf Einzelne schimpfen, die gierig sind, sondern auch schauen, wo denn bei uns selbst die Gier ist.
Es gibt ja auch eine positive Gier: Das Bemühen, weiter zu kommen, um etwas zu erreichen. Aber es gibt eben auch das maßlose Streben, das schädlich ist und den Menschen krank macht.
Gier kann also auch gut sein!?
Wenn der Trainer sagt: ‚Die Fußballer sollen gierig sein auf einen Sieg‘, dann ist diese Motivation sicher eine gute Gier. Sie darf aber nie übertrieben werden. Sonst nimmt man Drogen, um sein Ziel zu erreichen, oder man macht etwas zu Ungunsten von anderen. Wenn der Sieg im Fußballspiel durch Fouls errungen wird oder durch die Schädigung von anderen, ist die Gier nicht gut.
Was sind die Folgen von schlechter Gier?
Man hat festgestellt, dass gierige Menschen sich selbst nicht spüren und das Leben nicht genießen können, sondern ihre innere Leere immer mehr zustopfen wollen. Das ist sicher schädlich für den Menschen.
Eine weitere Folge ist, dass wir nie zufrieden sind und unser eigenes Maß sowie das Maß der Menschen nicht beachten und dadurch sowohl dem Einzelnen als auch der Schöpfung schaden. Denn Gier beutet auch die Schöpfung aus.
Was ist der Königsweg heraus aus dem immer mehr Haben-Wollen?
Die Gier in Dankbarkeit zu verwandeln. Dankbar zu sein, für das, was wir haben, und das rechte Maß zu finden, um uns selbst gerecht zu werden. Denn in der Gier werden wir uns selbst nicht gerecht.
Was winkt dem Menschen, der es aus der Gier heraus geschafft hat?
Der kommt in Einklang mit sich selbst und er ist glücklicher als der Gierige. Der Gierige hat ein Fass ohne Boden. Das wird nie voll und er wird nie das Glück erreichen. Egal was er reinstopft.
Ist für jemanden wie Sie, der bereits so viele Jahre im Kloster gelebt hat, ‚Gier‘ ein Fremdwort?
Nein, ein Fremdwort nicht. Ich habe ja lange mit den Finanzen zu tun gehabt. Da muss man aufpassen, dass man einerseits gut arbeitet, aber andererseits auch die Gier zurückdrängt.
Zu sagen "Ich bin völlig ohne Gier", das wäre überheblich. Ich muss sie wahrnehmen und dann kann ich mich auch von ihr distanzieren.
Interview: Dietmar Kattinger, 15.02.2015