Cloppenburg.
Menschen in Pflegeeinrichtungen zwar zu ermöglichen, „dass
sie zueinander finden, aber keine Sexualassistenz zu leisten“: Dazu rief die Kölner
Krankenschwester und Diplom-Psychologin Christine Sowinski am Mittwoch, 18.
März, beim 22. Tag der Altenpflege auf. Wenn Heimbewohner um den Kauf von
pornografischen Zeitschriften oder das Bestellen einer Prostituierten bitten,
„ist es sicher nicht gut, wenn die Pflegenden das machen“, zog Sowinski eine
Grenze.
„Man sollte Pflege und Sexualassistenz nicht verwischen“, betonte
die Referentin im Rahmen des 22. Tages der Altenpflege zum Thema „Sexualität im
Alter. Alt und pflegebedürftig = alt und gefühllos?“. Zwar sei es als eine
wertvolle „Ressource“ zu verstehen, wenn ein älterer Heimbewohner beim Waschen
seiner Genitalien eine Erektion bekomme. „Dennoch ist eine Rollentrennung gut“,
grenzte Sowinski ab.
Wenn ein Bewohner weitergehende sexuelle Wünsche an Pflegekräfte
habe, könne die Mitarbeiterin sagen: „Ich bin da nicht zuständig“. Falls das
nicht genüge, müsse ein Zivildienstleistender oder eine Schwesternschülerin bei
der Pflege eines bestimmten Bewohners gegen eine ältere, routinierte Kraft
ausgetauscht werden.
„
Rund 30
Prozent der Bewohner von Pflegeheimen haben den Wunsch nach
Geschlechtsverkehr“, schätzt der Braunschweiger Professor für
Gerontopsychologie, Dr. Jürgen Howe. „Generell sind sexuelle Bedürfnisse bis
zum letzten Atemzug da“, sagte der Altersexperte. Dabei gelte, dass alte
Menschen in einer Partnerschaft sexuell zufriedener seien als Gleichaltrige
ohne Partner.
Altenpflegeeinrichtungen empfahl er, ein Konzept zu erarbeiten,
wie in dem jeweiligen Haus mit dem Thema „Sexualität der Bewohner“ umgegangen
werden soll. Dies könne ein Qualitätsmerkmal für eine Einrichtung sein.
Ergebe sich für eine Schwester ein Problem etwa beim Waschen der
Genitalien eines Mannes, solle sie auf alle Fälle im Team darüber reden. „Das
darf nicht als individuelles Schicksal gesehen werden. Es ist eine berufliche
Situation“, sagte der Braunschweiger Professor.
Probleme mit der Sexualität von Heimbewohnern tauchen laut Howe
dadurch vermehrt auf, dass die Hälfte der Bewohner von Pflegeheimen dement
seien. Dies enthemme auch in der Sexualität. Bis dahin, dass Partner ihren
früheren Ehemann oder ihre Ehefrau im Verhalten nicht wiedererkennen würden.
Als Prinzipien für den Umgang mit sexuellen Fragen alter Menschen
nannte Howe sowohl die Würde des Bewohners zu achten als auch die der
Pflegekräfte. Langfristig werde es nicht möglich sein, sexuelle Wünsche von
Bewohnern zu ignorieren, blickte der Referent in die Zukunft.
So hätten 30 Prozent der befragten 80-jährigen Männer und 25
Prozent der gleichaltrigen Frauen geantwortet, in den letzten zwölf Wochen mit
einem Partner sexuell intim gewesen zu sein, berichtete Howe. 61 Prozent der
über 75-jährigen interviewten Männer und 47 Prozent der gleichaltrigen Frauen
haben den Wunsch nach Geschlechtsverkehr, berichtete der Wissenschaftler. Howe:
„Die Frage wird lauten: Wohin mit der Sexualität?“
Zitat:
„Die 56- bis 65-jährigen sind sexuell aktiver als die 18- bis 25-jährigen“
Prof. Dr. Jürgen Howe, Braunschweig,
beim 22. Tag der Altenpflege in der Cloppenburger Stadthalle
Dietmar Kattinger
Referent für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Tel.: 04441 / 8707-640