Cloppenburg-Stapelfeld
/ Niedersachsen.
Manche hätten Angst, etwas weg zu lassen, berichtet ein Heimleiter. Etwa die
regelmäßige, aber nicht mehr sinnvolle Umlagerung einer 90-jährigen Dame, die nur
noch wenige Stunden leben wird. Weil das Prüfungs-System es aber vorschreibe,
dreht sie die Frau regelmäßig von der einen auf die andere Seite und weil es
dokumentiert werden müsse, weiß auch Dr. Klaus
Wingenfeld.
Deutlich kritisiert
hat der Bielefelder Pflegewissenschaftler am Donnerstag, 14. Februar, die
derzeitige Überprüfung von Altenheimen. Das System sei „aufgebläht“ und bringe
Ergebnisse, die „wenig relevant sind“, sagte er vor 130 Fachleuten aus ganz
Niedersachsen im Rahmen einer Tagung des Landes-Caritasverbandes in
Cloppenburg-Stapelfeld.
Als
wichtig betrachtet werde „die Qualität der Dokumentation statt der Qualität der
Versorgung“.
Wingenfeld
: „Das kann nicht
funktionieren.“ Ein ungewolltes Ergebnis sei, dass Pflegerinnen und Pfleger
Verschriftlichungen als überflüssigen „Schreibkram“ empfinden würden.
Ein
zweites: Beim internen Qualitätsmanagement werde inzwischen häufig nur auf ein
gutes Bestehen der nächsten MDK-Prüfung geschielt.
Wingenfeld
:
„Das schließt De-Professionalisierung gar nicht aus.“
Bei
bundesweit durchschnittlichen Noten von 1,2 im Bereich der Altenheime
(Baden-Württemberg sogar 1,0) sei der ursprünglich anvisierte Vergleich von
Häusern darüber hinaus kaum mehr möglich.
Eine
Einschätzung, die auch Caritasdirektor Dr. Gerhard Tepe bei einem
grundsätzlichen „Ja“ zu Überprüfungen teilt: Zwar würden sich
Caritaseinrichtungen über gute Noten freuen, „aber welche Aussagekraft haben
sie?“ Sein Fazit: „Es muss dringend ein neues System her.“
Im Auftrag der
Bundesministerien für Gesundheit sowie Familie hat
Wingenfelds
Institut ein solches entwickelt. Der Kern: Der Blick wird auf das Ergebnis der
Pflege gerichtet. Etwa bei der Frage, wie mobil ein 93-Jähriger geblieben sei.
Wie viele Männer und Frauen nachts mit Gurten am Bett fixiert würden oder
schließlich, was der Hochbetagte selbst über seine Pflege sage.
Sein
System führe „weg davon, nur auf die Dokumentation zu schielen“, umschreibt der
Referent. Es stelle einen positiven Anreiz für die Mitarbeiter dar, „auf die
Bewohner zu schauen, nicht auf die Akten.“
Mit
Gewinn nehmen 78 Einrichtungen mit 75.000 Bewohnern der
Diözesan-Caritasverbände Köln und Münster pilothaft an einem Projekt mit dem
Wingenfeld’schen
Ansatz teil, berichtete Anne Eckert
(Münster).
Nichts
über Qualität in einem Heim sagen die derzeitigen Überprüfungen auch nach
Ansicht des Münsteraner Caritas-Anwaltes über die Qualität in Heimen aus. Im
Gegenteil geschähen immer wieder Grundrechtsverletzungen etwa bei Überprüfungen
im Intimbereich eines Bewohners.
Hopfenzitz
: „Die
Überwachung nimmt zu, die Rechte schmelzen dahin.“
Als
„ungeeignet und als viel zu bürokratisch und aufwendig“ bezeichnet auch der
Dinklager
Einrichtungsleiter Werner Schulze (St.
Anna-Stiftung) die derzeitigen Untersuchungen seiner Einrichtung.
Einschließlich Gesundheitsamt, Veterinäramt und Medizinischem Dienst (MDK)
würde seine Einrichtung bis zu acht Mal jährlich unter die Lupe genommen. Eine
MDK-Prüfung nehme 120 Arbeitsstunden in Anspruch.
Für
falsch hält Schulze auch die untersuchten Punkte. Zielführender seien für ihn
Antworten auf die Fragen, wie viele Einzelzimmer es gebe, wie groß ein solches
sei; wie es in den Fluren rieche und ob das Ambiente dort stimme. Sein Rat, ein
gutes Heim zu finden: „Fragen Sie sich, wonach Sie ein Hotel aussuchen würden!“
Im
Bereich des Landes-Caritasverbandes gibt es 26 stationäre und 15 ambulante
Einrichtungen der Altenhilfe.
Dietmar
Kattinger
Referent für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Tel. 04441/8707-640