"Wie sind Selbsthilfegruppen durch die Corona-Zeit gekommen?" Caritas-Kontaktstelle veröffentlicht 200-seitiges Buch zusammen mit Geestverlag
54 Frauen und Männer haben darin in 68 Lebensgeschichten zu Papier gebracht, wie es ihnen in der Corona-Zeit ergangen ist. Allen Autorinnen und Autoren gemeinsam: Sie gehören einer der insgesamt 75 Selbsthilfegruppen im Landkreis Vechta an.
Michaela beispielsweise. Mit vollem Namen und offen beschreibt sie in dem 209-seitigen Werk, wie sie sich auf ihr erstes Kind gefreut hat. Schildert die Schwangerschaft, bei der bis zur 37. Schwangerschaftswoche alles nach Plan verläuft. Wie dann aber Tochter Amelie plötzlich durch einen Notkaiserschnitt geholt werden muss. Amelie, die ihren Eltern von der Hebamme nur tot gezeigt und tot in ihre Arme gelegt werden kann.
Im Vechtaer Gesprächskreis für "Sternenkind-Eltern" ist Michaela das möglich, was Freunde und Bekannte oft nicht aushalten: von ihrem toten Kind zu erzählen und zu trauern.
In dem von Kerstin Willenbrink (Kontakt- und Beratungsstelle Selbsthilfe beim Landes-Caritasverband) und Alfred Büngen (Geestverlag) entwickelten Buch finden sich Vertreter von Selbsthilfegruppen für Kehlkopfoperierte, für Menschen mit Demenz, Diabetes oder Depression. Auch die Gruppe stotternder Männer und Frauen kommt vor.
Ihr gehört ein Mann an, der seinen Text zwar selbst vorliest, sich im Buch aber das Pseudonym ‚Franz‘ gibt. Die Selbsthilfetreffen vor Ort, die ihn insgesamt "vom Dunkel ins Licht geholt haben", hätten sie in der Corona-Zeit versucht, durch Videokonferenzen zu ersetzen. Ein Plan, der kläglich gescheitert sei. Das Stottern habe sich bei vielen verstärkt. Seine Bitte im Hinblick auf stotternde Menschen unabhängig von Corona: "Blickkontakt halten, aussprechen lassen und geduldig zuhören".
Anrührend auch alle Lebensgeschichten im Zusammenhang mit Alkohol. Die etwa von Irmgard Rolfes, die schreibt, "körperlich am Ende gewesen zu sein" und die in der "Gemeinsamkeit gelernt habe, mich zu öffnen". Acht Mal finden sich in der Autorenzeile im Inhaltsverzeichnis die Buchstaben "N.N." Dann vermutlich, wenn der Schmerz zu groß ist.
Seinen "Respekt für die persönlichen Einblicke" in Schicksale, die nicht selten über Nacht gekommen seien, verband Landrat Tobias Gerdesmeyer mit seinem Dank für die Caritas-Initiative.
"So stark sind wir" ist im Geest-Verlag 2022 erschienen und kostet 12 Euro 50. Schirmherr der Aktion und des Buches ist Ministerpräsident Stefan Weil. Finanziert wurde es aus Mitteln der NDR-Aktion "Hand in Hand für Norddeutschland" zu Gunsten von Opfern der Corona-Krise.
Pressemitteilung
Selbsthilfe-Schreiber gewähren tiefe Einblicke in ihre Seele
Erschienen am:
15.06.2022
Beschreibung