Visbek. Über die gestern vom Bundestag beschlossenen Änderungen hinaus hat sich jetzt die Chefärztin der Visbeker Suchtfachklinik für Frauen, Dr. Wibke Voigt, für eine verstärkte Therapie von Sexualstraftätern ausgesprochen. Ein therapierter Täter habe eine sehr viel geringere Rückfallwahrscheinlichkeit, sagte die ausgebildete Traumatherapeutin, die am 15. März genau seit einem Jahr die Visbeker St. Vitus Suchtfachklinik für Frauen leitet.
Voigt: „Eine gute Täterbehandlung ist auch immer Opferschutz“, betont die Psychiaterin und Psychotherapeutin in einem Interview mit der Pressestelle des Landes-Caritasverbandes für Oldenburg.
Eine häufige Ursache für sexuellen Missbrauch liege darin, dass die Täter früher selbst missbraucht worden seien. Oft habe es schon über Generationen eine Familiengeschichte gegeben, „in der es nie eine Unterbrechung gab“, betont Voigt. Die Betroffenen würden dann selbst zu Tätern oder nicht verhindern, dass der Partner zum Täter wird.
Lediglich vier Prozent der Täter habe eine Persönlichkeitsstörung und spüre nicht, wenn andere leiden. Die Ursache sei teilweise genetisch bedingt und habe mit Erziehung nichts zu tun. Diese sadistischen Täter seien hochgefährlich und man müsse sie „tatsächlich wegsperren“, da sie eine hohe Rückfallwahrscheinlichkeit hätten. „Das ist aber eine sehr kleine Gruppe“, betont Voigt. Der weitaus größere Teil aller Sexualstraftäter sei therapierbar „und Therapie für Sexualstraftäter ist nie rausgeworfenes Geld“.
Grundsätzlich gelte, dass 95 Prozent aller sexuellen Straftaten in der Familie begangen würden und nur fünf Prozent von „Fremdtätern“. Es sei daher wichtig, „die Kinder in den Familien besser zu versorgen“, fordert Voigt. Leider würden die 95 Prozent der Taten in den Familien nur wenig von der Öffentlichkeit wahrgenommen, bedauert die Chefärztin. Für die missbrauchten oder misshandelten Kinder bedeute dies oft, fast schizophren zu werden.
Kritisch äußerte sich die Visbeker Expertin zur in Niedersachsen geplanten Erfassung der Täter in einer Strafkartei. „Nur weil ich weiß, dass da jemand Sexualstraftäter ist, ist mein Kind auch nicht besser geschützt.“ Wenn überhaupt etwas nutze, dann sei es, die Täter in eine Therapie zu bringen und sie gegebenenfalls auch dazu zu verpflichten.
Es sei gefährlich, jemanden einfach nur drei Jahre einzusperren, ohne ihn zu therapieren. Auch Opfer wüssten, wann solche Fristen ablaufen. Ihre Angst sei entsprechend groß.
Voigt wünscht sich außerdem, Opfer als eigene Instanz in Strafprozessen einzuführen. Bisher gebe es in Prozessen nur den Staat und den Täter. Das Opfer komme juristisch nicht vor. Außerdem sollten Opfer besser geschützt werden.
Das vollständige Interview finden Sie unter www.kirchentuer.de .
St. Vitus Suchtfachklinik
für Frauen, Visbek:
- 75 Mitarbeiter (42 Vollzeitstellen)
- 80 vollstationäre Plätze
- Einzige Suchtklinik für Frauen im Norddeutschen Raum (Bundesweit gibt es acht
-------- Suchtfachkliniken für Frauen
- Einzugsgebiet (gesamter norddeutscher Raum einschließlich neue Bundesländer)
- Zahl der Patienten 2006: 300
- Einrichtung ist seit Kurzem zertifiziert
- Es gibt ein Ethikkomitee, das bei Konflikten beispielsweise über die
Reihenfolge der Aufnahme von Patienten entscheidet.
- Zahlreiche Patientinnen sind traumatisiert.
Dietmar Kattinger, Referent
für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Tel. 04441/8707-640