Cloppenburg.
Eine
Lanze für eine höhere Lebensqualität in deutschen Altenheimen hat der frühere Geschäftsführer
der Caritas-Betriebsführungs- und Trägergesellschaft im Erzbistum Köln, Franz
Josef Stoffer, gebrochen. Oft werde der Blick ausschließlich auf die
Pflegequalität gelenkt. Diese müsse selbstverständliche Voraussetzung jeder
Einrichtung sein, sagte er am Mittwoch, 15. März, im Rahmen des 25. Tages der
Altenpflege in der Cloppenburger Stadthalle vor rund 500 Zuhörern.
Alte Menschen zögen nicht in ein Kranken-, sondern in ein Wohnhaus begründete
der gelernte Volkswirt seinen Appell. Dieses wiederum müsse eingebunden sein in
das jeweilige Quartier und die Pfarrei, sagte Stoffer im Rahmen der
Jubiläumsveranstaltung von Landes-Caritasverband und Einrichtungen der
katholischen Altenhilfe im Oldenburger Land.
Deutliche Kritik übte Stoffer am Stellenschlüssel in Altenheimen: Die
Quote der Mitarbeiter sei trotz gestiegener Urlaubszahlen nie angepasst worden.
Daher gebe es in jedem deutschen Altenheim an jedem Tag eine personelle
Unterbesetzung von 20 bis 30 Prozent. Im letzten sei die Pflege „nicht
nachhaltig finanziert“, bemängelte Stoffer.
Vehement wehrte sich der Referent gegen das derzeitige
Überprüfungssystem des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen. Die Tatsache,
dass die Durchschnittsnote bundesweit bei 1,3 liege, zeige, dass sie keine
Aussagekraft habe. Mitarbeiter würden nur noch darauf hinarbeiten, sich auf die
87 überprüften Kriterien vorzubereiten. Stoffer: „Die Lebensqualität wird nicht
abgefragt.“ Mehr noch: „Die Pflegenoten führen in eine Sackgasse.“
Ein entsprechend kritisches Positionspapier Stoffer‘s wurde auch vom
Landes-Caritasverband für Oldenburg (LCV) unterzeichnet. Manfred Bockhorst,
LCV-Referent für Altenpflege: „Das System muss dringend abgeschafft werden.“
Als „Unwort des Jahres“ bezeichnete Stoffer den Begriff „Jahr der
Pflege“, weil dahinter kein Gesamtkonzept stecke.
Als fragwürdig bezeichnete es Stoffer, dass eine Stewardess in
Deutschland ein weit höheres Ansehen hätte als eine Altenpflegerin.
Skandalös hingegen sei ein Gerichtsurteil, das einem alten Menschen das
Recht absprach, ein künstliches Gebiss zu erhalten, das den ganzen Tag über
haften würde. Zwei Stunden optimaler Sitz der künstlichen Zähne pro Tag wären
ausreichend, so die Richterin.
Unbemerkt hätte sich eine Drei-Klassen-Medizin eingeschlichen:
Privatpatienten, Kassenpatienten und alte Menschen.
Als eine Möglichkeit regte der Referent die Einrichtung von SenTas
(=Seniorentagesstätten) in Betrieben in Anlehnung an Kindertagesstätten an.
Mitarbeiter wüssten so ihre beispielsweise dementen Eltern gut versorgt und
untergebracht.
Begonnen hat der Tag der Altenpflege in Form einer Fortbildungswoche am
17. März 1988 im damaligen Kardinal-von-Galen-Haus in Stapelfeld.
Zu den Gästen des 25. Tages der Altenpflege zählten auch der
Bundestagsabgeordnete Franz-Josef Holzenkamp sowie der Landtagsabgeordnete
Clemens gr. Macke. Ein Grußwort sprach Bürgermeister Wolfgang Wiese.
Zitate:
„Nun altern wir alle länger.“
„Der immerwährende Urlaub ist eine Definition der Hölle.“
„Ich glaube an das fixierungsfreie Haus.“
Dietmar Kattinger
Referent für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Tel. 04441/8707-640