Raphael heißt "Gott heilt". Sind Sie eine Heilerin?
Manchmal stoßen wir heilende Prozesse an, aber ansonsten sehe ich unsere Arbeit eher als Wegbegleitung.
Und das künftig auch in Delmenhorst!?
Richtig: Wir sind im Blick auf die Rückkehrberatung von Flüchtlingen für ganz Niedersachsen zuständig. Das ist ein Schritt, den Menschen aus dem Nordwesten etwas entgegen zu kommen.
Wer kann zu Ihnen in die Beratung kommen?
Ganz unterschiedliche Personen: Flüchtlinge und Asylbewerber, die in ihre Heimatländer zurück wollen oder müssen. Von ihnen kommen viele aus Irak, Afghanistan, Russland und Georgien. Als Auswandererberatungsstelle unterstützen wir darüber hinaus alle Menschen, die einen Ausreisewunsch haben: Personen, die beispielsweise ihren Lebensabend woanders verbringen wollen oder in einem anderen Land arbeiten werden.
Was sind die konkreten Anliegen dieser Menschen?
Ein schwieriges Anliegen ist beispielsweise, wenn Personen mit einer Ausreiseaufforderung kommen und das Land aber nicht wirklich verlassen wollen. Wenn sie sagen: Hier ist eine Ablehnung, aber eigentlich will ich hier bleiben. ‚Mir droht in meinem Geburtsland Gefahr.‘ Oder ‚Meine Heimat ist zwar Afghanistan, ich muss aber in den Iran, weil meine Eltern inzwischen dort leben und ich dort auch aufgewachsen bin.‘
Was machen Sie dann?
Zuerst überprüfen wir alles. Ab und zu gibt es noch Möglichkeiten, den Aufenthaltsstatus zu verändern: Macht ein Widerspruch Sinn? Gibt es die Möglichkeit der Klage? Ist eine Ausbildungsduldung möglich? Könnte ein Härtefallantrag in Frage kommen?
Oft ist auch einfach Begleitung nötig, weil ein Prozess reifen muss: ‚Okay, ich habe jetzt alles versucht in Deutschland. Es bleibt keine Möglichkeit, als zurück zu kehren.‘ Dann geht es darum, sich innerlich darauf einzustellen und den Schritt der Rückkehr vorzubereiten.
Das heißt die menschliche Begleitung ist ein wichtiger Teil der Arbeit!?
Definitiv: Wir setzen bei den Bedürfnissen der Personen an. Wir besorgen nicht nur ein Ticket, sondern wir schauen uns das ganze Umfeld an.
Aktuell haben wir beispielsweise Situationen, wo der älteste Sohn der Familie nicht zurückkehren will. Oder wo der Vater zu ihm sagt: "Bleibe Du mal hier und studiere Jura. Wir anderen gehen zurück in die Heimat."
Ein Schwerpunkt unserer Arbeit liegt auf der Begleitung von besonders schutzbedürftigen alleinreisenden, alleinerziehenden und erkrankten Personen. Die Ausreisevorbereitungen sind umso aufwändiger, je mehr Hilfen im Herkunftsland vermittelt werden müssen.
Gibt es auch einfachere Fälle?
Auch die gibt es. Wenn jemand beispielsweise sagt: ‚Ich möchte zurückkehren in meine Heimat, ich möchte bei meiner Familie leben. Meine Mutter braucht Unterstützung. Bitte helfen Sie mir bei der Ausreise. Ich kann das Flugticket nicht bezahlen.‘
Das ist deshalb ein einfacher Fall, weil die Person die Ausreise klar möchte. Und wenn sie zur ihrer Familie zurückkehren will, weiß ich, derjenige hat schon mal ein Zimmer bei den Eltern; ist da die erste Zeit aufgefangen. Familiäre Strukturen funktionieren im Ausland besser als in Deutschland. Da kann man schon mal mehrere Monate bei Angehörigen leben.
Für wen ist ihre Beratung andererseits nicht gedacht?
Wenn es um Integration hier in Deutschland geht, gibt es andere Beratungsstellen. Auch Deutsche, die zurückkehren wollen: Solange sie sich im Ausland aufhalten, sind wir zuständig. Sind die Betreffenden wieder hier angelangt, fallen sie nicht mehr in unser Aufgabengebiet.
Wir vermitteln manchmal zwischen den Welten: Beim Übergang ins Ausland oder beim Weg zurück aus dem Ausland. Generell aber eher das erstere.
Man hat durch manche Sendungen den Eindruck, dass halb Deutschland auswandern möchte. Ist da so? Haben die Zahlen zugenommen?
Der Wunsch ist immer wieder da. Manchmal wird das Verlangen nach den Sommerferien stärker. Menschen sehen Länder und haben das Bedürfnis: ‚Das will ich immer haben!‘ Zugenommen haben die Anfragen nicht. Die Menschen informieren sich über’s Internet inzwischen schon sehr gut. Sie erfahren von den Krisen der Welt hautnah.
Hinzu kommt: Die beliebtesten Länder zum Auswandern sind Kanada, Amerika und Australien. Dort werden allerdings gezielt qualifizierte Fachkräfte gesucht. Diese werden ins Land gelassen. Anderen, die dieses Berufsprofil nicht erfüllen, muss ich klar sagen: ‚Sie werden die Voraussetzungen nicht erreichen. Sie haben keine Chance.‘
Was ist ihr wichtigster Tipp für jemanden, der auswandern will?
Auch wenn es komisch klingt: Auch an die Rückkehr denken oder einen ‚Plan B‘ entwickeln. Und wenn es im Ausland schief geht: Nicht zu lange an dem vermeintlichen Traum festhalten. Manchmal ist es so, dass die Menschen nicht mal mehr Geld haben, um sich ein Ticket für den Rückflug zu kaufen. Sobald sie in Deutschland sind, greifen viele Hilfen. Aber in anderen Ländern nicht unbedingt.
Was auch wichtig ist: Auch aus dem Ausland Kontakt halten zu Eltern und Freunden. Das hört sich jetzt selbstverständlich an, manchmal brechen solche Kontakte aber auch ab.
Weitere Infos:
- Magdalena Kruse ist Leiterin der Beratungsstelle Hannover
- Die Beratung findet alle zwei Wochen jeweils am Mittwoch einer geraden Woche von 10.30 Uhr bis 13.30 Uhr in den Räumen des Caritasverbandes Delmenhorst statt, Louisenstraße 27. Beginn ist der 20. September 2017. Beraterinnen sind Magdalena Kruse und Angelika Wagner. Vorherige Anmeldung unter 0511/ 7005206-11 ist unbedingt erforderlich.
- Weitere Infos auch unter www.raphaelswerk.de
Interview: Dietmar Kattinger, 30.08.2017