Vechta / Oldenburger Land.
„Es
war eine blanke Holzhütte“, erinnert sich Clemens
Rottinghaus, heruntergekommen, zerfallen. „Daraus wollen wir ein Altenheim machen“,
wünschten sich die Mitarbeiter der Caritas im litauischen Marijampole. „50.000
Mark sind dazu notwendig.“
„Ja, das können
wir wohl schaffen“, sagten Mitglieder der Frauengemeinschaft Langförden Wochen
später. Und sie haben es geschafft. Das Altenheim in Marijampole zählt heute zu
den sozialen Vorzeigeeinrichtungen in Litauen und gehört zu den vielen gelungenen
Projekten im Rahmen der Aufbauhilfe für Litauen aus dem gesamten Oldenburger
Land. Später in eine Partnerschaft übergegangen feiert die große Bewegung aus
dem Nordwesten Niedersachsens am Samstag, 2. Oktober, ihr 20-jähriges Bestehen.
Daran beteiligt sind Pfarreien und Verbände, Einzelpersonen und Freundeskreise.
Nicht 50.000
Mark, sondern 400.000 Euro sind bisher aus Langförden in das Altenheim der
50.000-Einwohner-Stadt Marijampole geflossen. Jenseits der überwältigenden
Summe sei es Beispiel, an dem man das Prinzip oldenburgischer Hilfe gut
erläutern könne, beschreiben der frühere Caritasdirektor Paul Schneider und der
ehemalige Caritas-Auslandsreferent Clemens Rottinghaus als Gründerväter und
Motoren der Aktion die oldenburgische Initiative.
Zunächst sei es
darum gegangen, wer als oldenburgischer Partner beispielsweise für das
Altenheim in Frage käme. Und wenn, dann für mindestens fünf Jahre, nennt
Schneider einen tragenden Grundsatz der Caritas-Malteser-Kooperation. „Wir
wollten niemals nur Strohfeuer entzünden“, hat er immer wieder betont.
Gleichzeitig
drängten die südoldenburgischen Sozialexperten ihre litauischen Kollegen, sich
an die jeweiligen Bürgermeister zu wenden; Seite an Seite mit dem jeweiligen Bischof
auf die Minister zuzugehen und sie auf ihre staatliche Wohlfahrtspflicht
aufmerksam zu machen. „Ein Prinzip, das in Litauen völlig unbekannt war“, bestätigt
auch Stephan Grabber, seit gut 15 Jahren als Malteser-Auslandsreferent mit im
Boot. Immer sei es darum gegangen, langfristig zu denken und die Wohlfahrtsverbände
selbst aufzubauen, „statt sie am Tropf zu halten“.
Dabei war die Lage
schlimm in den Anfangsjahren, erinnern sich Schneider, Grabber und Rottinghaus.
„Absolute Armut, verwahrloste Pflegebedürftige, ein blankes Elend auf dem
Land“. Eine Lage, die oldenburgische Ehrenamtliche an die Grenze dessen bringt,
was sie seelisch aushalten können.
Erfolgsgeschichten
waren am 12. Dezember 1990 noch nicht abzusehen.
Bei der ersten Fahrt steigen neben Schneider, Rottinghaus unter anderem auch Malteser-Chef
Sebastian Kliesch, Michael Rottmann von der Vechtaer Kirchenzeitung und
Dolmetscher Michael Dorniak in den Bulli. Bei Schnee und Glatteis begleiten sie
einen Konvoi, der 24 Tonnen Lebensmittel nach Osteuropa bringt.
„Wir hatten keine
Adresse“, erinnert sich Paul Schneider wie alle anderen noch an jedes Detail.
Einzig der Name einer „Schwester Albina“ sei bekannt gewesen. An der Grenze Hin
und Her bis plötzlich das Wort „Humanitare“ die russischen Zöllner scheinbar
verzaubert. Mit einer Polizeieskorte wird der Transport bis zum Ziel in Kaunas
geleitet.
Grenzübertritte,
die für Stephan Grabber im Nachhinein das Schwierigste in der 20-jährigen
Geschichte waren. In einer Anfangszeit, in der fast alle zwei Wochen einer von
später insgesamt 602 Transporten nach Litauen gerollt seien, hätten sich die
Formalitäten fast jedes Mal geändert. Einmal spaßeshalber die Stempel gezählt
sei Grabber auf 400 für die Ein- und Ausreise eines einzigen Transportes gekommen.
Dass für alle
Transporte, die aus der Region zwischen Wesermarsch und Dammer Bergen starteten,
die Papiere von Josef Fußhöller aus Vechta optimal vorbereitet wurden und die
Gruppen von Malteser- und Caritas-Landesverband gut begleitet worden sind, halten
Schneider, Rottinghaus und Grabber für eines der Erfolgsrezepte der Bewegung. Einschließlich
der zusätzlichen 300 Transporte nach Polen und Weißrussland waren daran 3000
Menschen beteiligt, die knapp 10.000 Tonnen Hilfsgüter in einem Wert von 22,6
Millionen Euro an 24.000 Einsatztagen auf fast vier Millionen Kilometer
Fahrtstrecke nach Osteuropa gebracht haben.
Das Ergebnis: Ein
Land, das es geschafft hat, auf eigenen Beinen zu stehen – nicht zuletzt durch
die Hilfe aus dem Oldenburger Land. Auch wenn die Zahl von Transporten zurückgegangen
ist, lebt die Hilfe in anderer Form weiter. Nicht zuletzt durch Beziehungen,
die entstanden sind – und bleiben.
Zum
Jubiläum:
Im Rahmen des
Jubiläums findet um 17:00 Uhr ein Pontifikalamt in der Vechtaer Propsteikirche
mit Weihbischof Heinrich Timmerevers sowie Erzbischof Sigitas Tamcevicius
(Kaunas) statt. Dazu ist die gesamte Bevölkerung herzlich eingeladen.
Am Gottesdienst
sowie dem anschließenden internen Festakt werden darüber hinaus teilnehmen:
Donatas Jankauskas (litauischer Sozialminister), Bischof Rimantas Norvila
(Vilkaviskis), Prälat Hellmut Puschmann (RENOVABIS, Freissing), Douglas Graf
Saurma Jeltsch (Botschafter des Souveränen Malteser Ritterordens in Litauen),
Dr. Kazimieras Sceponavicius (Präsident
des litauischen Malteser Hilfsdienstes) sowie Pfarrer Robertas Grigas (Direktor
der Caritas Litauens).
Dietmar
Kattinger
Referent für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Tel. 04441/8707-640