Cloppenburg (LCV) "Zwei Schellen halten die Hülse fest. Dann gibt es noch die kleine blaue Schelle. Das alles wird verpackt". Mit Begeisterung erzählt Paul S. von einer früheren Arbeit. Dabei ist Paul S. nicht sein richtiger Name.
Seit neun Jahren lebt er im Gemeindepsychiatrischen Zentrum in Cloppenburg beziehungsweise erhält er Unterstützung von dort. Von der Einrichtung, die mit 60 Mitarbeitenden derzeit 200 Personen im Landkreis Cloppenburg betreut und in diesen Tagen ihr 25-jähriges Jubiläum feiert. Aber von Anfang an: Paul S. ist rund 20, als er damals im Rahmen seines Zivildienstes einen behinderten Mann im Rollstuhl betreut. Mehr oder weniger rund um die Uhr.
Paul S., heute kurz vor seinem 39. Geburtstag, wird in Sachsen-Anhalt geboren. Wächst in einer Pflegefamilie auf. Dann während des Zivildienstes passiert es, deutet der ruhig sprechende Mann an: Er bekommt eine Psychose, hört Stimmen. Eine bestimmte Art von Schizophrenie nennt er als weitere Diagnose.
Aufenthalte in Psychiatrien folgen. "Mein Betreuer hat mir danach zu einem Wohnheim geraten", erzählt Paul mit wenig Mimik und nicht ohne Wehmut darüber, dass seine Wohnung in dem Zusammenhang damals aufgelöst wurde. Das Wohnheim des GPZ wird für die kommenden drei Jahre sein zu Hause.
Paul hat an sich gearbeitet, lobt Sozialarbeiterin Saskia Triphaus vom GPZ. Er schafft es, während der darauffolgenden drei Jahre in einer Außenwohngruppe der Cloppenburger Einrichtung zu leben. "Zu dritt waren wir da", sagt er langsam und ruhig, manchmal auch mit einem Lächeln. Knapp 40 Euro habe jeder pro Woche für Lebensmittel bekommen, jeweils 20 an zwei Tagen. Gemeinsam wurde gekocht, abgewaschen. "Wir haben nie gestritten". Auch von hier schafft es Paul S. nach diesen drei Jahren, eine weitere Lebenssprosse hin zu seiner jetzige Station zu erklimmen:
"Ich habe wieder eine eigene Wohnung", erzählt er. "So 43 Quadratmeter." Gute Wohnlage sei das. In einem ganz normalen Umfeld. Arbeiten kann Paul S. bei "Plan B", einer "Zuverdienstmöglichkeit für Menschen mit psychischer Erkrankung". Träger ist der Caritasverein Altenoythe. "Drei Stunden am Tag", sagt Paul. Wenn er sich mal nicht gut fühle, könne er auch nur zu einer Tasse Kaffee dort hin oder brauche gar nicht zu kommen. Die Erleichterung für ihn: "Ich brauche keinen gelben Schein vom Arzt."
Saskia Triphaus besucht ihn zweimal wöchentlich. Was offiziell "Ambulante Wohnassistenz" heißt, bedeutet konkret: Treffen im Moment am Montag und am Mittwoch jeweils eine Stunde. Mal mehr, mal weniger. Je nachdem, was anstehe und was ihr Gegenüber gerade brauche. Das könne der Rückblick darauf sein, wie es Paul S. die Woche zuvor ergangen ist oder auch ein gemeinsames Einkaufen.
"Manchmal habe ich nicht die Kraft, alleine einzukaufen", lässt der junge Mann in seine Not blicken. "Dann, wenn die Stimmen zu laut werden."
Und ohne die Betreuung? "Dann wäre ich wohl schon oft in der Klinik gelandet", schätzt er. Dorthin musste er in den neun Jahren nur zweimal. "Und einmal nur, weil die Tabletten nicht richtig eingestellt waren."
Pressemitteilung
Weil er immer wieder Stimmen hört
Erschienen am:
06.09.2021
Beschreibung