Betretene Stille, kein Tuscheln, kein Husten. "Als wir mit dem Boot gekentert sind, waren wir in Inselnähe. Ich habe mich im Dieselöl wiedergefunden, ohne auch nur irgendetwas zu sehen. Ich hörte nur die Schreie der anderen. Alle sind gestorben, auch die schwangeren Frauen." Textpassagen wie diese hörte man am Montagabend im Vechtaer Metropoltheater.
Zweihundert Zuhörer, darunter viele junge Erwachsene, zeigten sich berührt von der ‚Szenischen Lesung‘ "Ein Morgen vor Lampedusa". Dort versank am 3. Oktober 2013 ein mit 545 Flüchtlingen besetztes Boot. 366 von ihnen starben, unter ihnen Kleinkinder und Säuglinge.
Schwerste Kost in roten Kinosesseln
Autor Antonio Umberto Riccò und dessen Hannoveraner Arbeitsgruppe "Unser Herz schlägt für Lampedusa" hatte die Aussagen zahlreicher Beteiligter dokumentiert und daraus die Lesung erarbeitet. Die Männer und Frauen in den roten Kinosesseln hörten die Worte von Flüchtlingen, von Fischern und Touristen wie Marcello, die helfen wollten. "Wir hätten sie retten können", erinnerte sich Letzterer, wütend über die Weisungstreue der Patrouillenboote.
Vorschriften verboten diesen, Flüchtlinge ohne offizielle Befehle zu retten. Die Lesung zitierte Behörden und Politiker, Bewohner Lampedusas und Taucher, die Leichen aus dem Wrack bargen. Die Zuhörer erfuhren von inneren Konflikten, von ausgebliebener Hilfe und von der Angst vorm Gesetz, die Helfer lähme.
Vom Landes-Caritasverband organisiert
Der Landes-Caritasverband für Oldenburg (LCV) hatte den Abend organisiert, um auf die Flüchtlingsproblematik aufmerksam zu machen und "um selbst ein Zeichen der Solidarität zu setzen", so Caritasdirektor Dr. Gerhard Tepe. Statt eines Eintrittsgeldes sammelten die Verantwortlichen eine Spende zugunsten von Sprachkursen für die Flüchtlinge in der Region.
In ganz Deutschland war die Hannoveraner Arbeitsgruppe bereits unterwegs, der Abend in Vechta war die 37. Lesung. Dabei wechselten sich die Vorleseparts mit dem Gesang von Francesco Impastato ab. Ralf Rießelmann, Melanie Ehlert und Holger Meyer übernahmen die Sprecherrollen. Die beiden Erzähler, Jutta Lüske und Stephan Trillmich fassten Hintergründe zusammen und führten durch die Berichte. Den Hintergrund zu Gesang und Vortrag bildeten Fotos aus Lampedusa und Fakten zur Flüchtlingspolitik.
"Ein Gruß, ein freundliches Wort"
Die Podiumsdiskussion im Anschluss hatte einen eindeutigen Tenor: Hilfe für Flüchtlinge, die in der Region ankommen, ist dringend notwendig. Ganz klein könne sie anfangen, schärfte Caritas-Beraterin Elisabeth Vodde-Börgerding ein. "Ein Gruß, ein freundliches Wort", sei das, was jeder leisten kann, betonte die erfahrene Flüchtlingsberaterin. Es sei ein sichtbares Zeichen dafür, dass die Flüchtlinge hier erwünscht seien.
Dass es einem schlecht werden könne in Anbetracht der geschilderten Tatsachen, gestand Weihbischof Heinrich Timmerevers. "Wir müssen Aufmerksamkeit und Abwehr schaffen, für einen Rassismus der neu entsteht. Da müssen wir viel Arbeit leisten."
Adresse für die, die helfen wollen
Auf dem Podium saß auch Abdul Malik. Er kam als Flüchtling von Afrika über Lampedusa nach Vechta-Langförden. Gedolmetscht von Ralf Rießelmann schilderte er seine Erfahrungen auf der Flucht und dem positiven Empfang durch die Flüchtlingshilfe Langförden. Die Ehrenamtlichen dort werden aktiv, damit sich die Flüchtlinge wohlfühlen können. Menschen, die ebenfalls helfen wollen, empfahl Vodde-Börgerding, können sich beispielsweise "an ihre lokale Kirchengemeinde wenden.
Johannes Hörnemann