Visbek / Neuenkirchen (LCV) Zwei Drittel der behandelten Klienten bleiben langfristig trocken. Das berichteten die Verantwortlichen der beiden katholischen Suchtfachkliniken im Landkreis Vechta (Visbek und Neuenkirchen), am Donnerstag, 22. Februar, im Rahmen einer ersten gemeinsamen Jahrespressekonferenz. Hinzu käme ein weiterer Prozentsatz, der drei bis fünf Jahre trocken bleibe, beschrieb der leitende Therapeut der Neuenkirchener Suchtfachklinik für Männer, St. Marienstift Dammer Berge, Josef Müller.
Grundproblem alkoholkranker Männer ist nach der Erfahrung Müllers, dass sie keinen Zugang zu ihrer Gefühlswelt hätten, weiß der Therapeut mit über 20-jähriger Berufserfahrung. Jeder habe gelernt, dass Männer stark sein müssten. Weinen sei tabu gewesen. Dagegen die Erfahrung Müllers: „Alkoholiker sind sehr sensibel, dünnhäutig und leicht verletzlich“.
Was den Klienten in der Neuenkirchener Einrichtung mit 120 stationären Plätzen am meisten helfe: „Dass ich akzeptiert wurde, so wie ich zu dem Zeitpunkt meiner Aufnahme in die Klinik war“, laute die häufigste Rückmeldung ehemaliger Klienten.
Der typische männliche Alkoholkranke ist nach den Worten Müllers 43 Jahre alt und hat bereits eine 10-jährige Abhängigkeit hinter sich. Zur Hälfte seien die Klienten berufstätig, zur Hälfte arbeitslos. Alles in allem seien sie „ein Abbild der Gesellschaft“, beschrieb Müller. Unter den Klienten gebe es den Bandarbeiter ebenso wie den Lehrer oder Arzt.
Sowohl für suchtkranke Männer als auch Frauen gelte, dass 90 Prozent von ihnen eine zweite Krankheitsdiagnose haben, berichteten die Experten. Bei Frauen sei der Alkohol häufig ein Mittel „Negativerfahrungen und Gefühle zu betäuben“, berichtete die Oberärztin der Visbeker St. Vitus- Suchtfachklinik für Frauen, Roseline Brinkmann. Eine Einrichtung mit 80 stationären Plätzen, in der auch medikamentenabhängige oder essgestörte Frauen ab 18 Jahren behandelt werden.
Vor allem junge Patientinnen hätten häufig Gewalt, sexuellen Missbrauch oder andere traumatische Erfahrungen erlebt, sagte Brinkmann. Das Trinken sei ein Weg, wenigstens etwas tun zu können.
Aus vier Gründen kommen Frauen zu einer Therapie, berichtete Chefärztin Dr. Wibke Voigt. Neben der Drohung etwa durch den Partner, die Betreffende zu verlassen, könne dies auch die Abmahnung durch den Arbeitgeber oder ein Führerscheinverlust sein, sagte die Therapeutin. Körperliche Folgeerkrankungen könnten ein weiterer Grund für den Antritt einer Behandlung sein.
Bei älteren Frauen trete als Grund für eine Sucht häufig Enttäuschung, Überforderung oder Einsamkeit auf. Der Weg aus der Krise gehe häufig damit einher, dass die Frauen lernten, sich abzugrenzen und „Nein“ zu sagen, berichtete Brinkmann.
In beiden Kliniken stehen für alle Krankheitsbilder jeweils fünf Plätze für eine ambulante Therapie zur Verfügung. Dabei fahren die Klienten jeden Abend wieder nach Hause und müssen ihr gewohntes Umfeld nicht verlassen. Die Fahrtkosten werden erstattet.
Die Kliniken in Zahlen:
Visbek:
75 Mitarbeiter (42 Vollzeitstellen)
80 vollstationäre Plätze
Einzige Suchtklinik für Frauen im Norddeutschen Raum (Bundesweit gibt es acht
Suchtfachkliniken für Frauen
Einzugsgebiet (gesamter norddeutscher Raum einschließlich neue Bundesländer)
Zahl der Patienten 2006: 300
Einrichtung ist seit Kurzem zertifiziert
Es gibt ein Ethikkomitee, das bei Konflikten beispielsweise über die
Reihenfolge der Aufnahme von Patienten entscheidet.
St. Marienstift Dammer Berge Neuenkirchen:
120 Stationäre Plätze
5 ambulante Plätze für Tagesrehabilitation
70 Mitarbeiter
Einzugsgebiet: Nordwesten Deutschlands (Niedersachsen, Hamburg, Bremen, Nordrhein-Westfalen,
Zahl der Patienten 2006: 500
Dietmar Kattinger, Referent für Presse- und
Öffentlichkeitsarbeit, Tel. 04441/8707-640