Steigende Gewalt und Naturkatastrophen hat der Leiter des weltweit tätigen Hilfswerks Caritas international, Dr. Oliver Müller, am Dienstag, 21. Mai, als zentrale Ursachen für die weltweiten Fluchtbewegungen der letzten Jahre beschrieben.
So habe sich die Zahl der Naturkatastrophen seit 1990 auf inzwischen 350 pro Jahr verdoppelt, sagte Müller beim diesjährigen ,Abend der Caritas‘ in der katholischen Akademie Cloppenburg-Stapelfeld. Etwa 19 Millionen Menschen würden pro Jahr durch plötzliche extreme Wetterereignisse innerhalb ihres Landes von heute auf morgen vertrieben, schilderte der Referent. Auf Einladung des Landes-Caritasverbandes sprach er vor rund 120 Vertretern aus Wirtschaft, Kirche, Politik und Verwaltung.
Im Blick auf die Gewalt als Fluchtauslöser seien die zwischen zwei Staaten geführten Kriege in den letzten Jahren zurückgegangen. Zugenommen hätten hingegen gewalttätige Konflikte innerhalb eines Landes sowie Bürgerkriege. Ursache der Eskalationen seien häufig Verteilungs- oder Machtkämpfe. Die Bedeutung von Religion werde dabei nicht selten überschätzt, so Müller.
Mit 68,5 Millionen Menschen seien damit noch nie so viele Menschen auf der Flucht gewesen wie heute. Alleine im Jahr 2017 seien 16 Millionen hinzugekommen.
70 Prozent der Flüchtlinge weltweit stammten aus nur fünf Ländern: Syrien, Afghanistan, Südsudan, Myanmar und Somalia.
Dramatisch sei die Lage auch in Ländern, die nicht im Rampenlicht der Öffentlichkeit stünden. In der zentralafrikanischen Republik etwa sei jeder fünfte Bewohner auf der Flucht. Knapp sieben Millionen Menschen hielten sich im Durchschnitt seit 26 Jahren unfreiwillig fern ihrer Heimat auf.
Entgegen häufiger Eindrücke trage Europa „mitnichten die Hauptlast der Migrations- und Fluchtbewegungen“, stellte der Theologe und Politikwissenschaftler klar. 85 Prozent der Geflüchteten blieben in den Regionen des Südens, so der Referent. „Zumeist in den armen Ländern.“
Zu den Hauptaufnahmenationen zählten 2017 die Türkei, Pakistan, Uganda, Libanon und der Iran. Deutschland stehe an sechster Stelle gefolgt von Bangladesch und dem Sudan.
Im Verhältnis zur Einwohnerzahl nehmen der Libanon und Jordanien die meisten Flüchtlinge auf. Viele dieser Länder hätten das Limit ihrer Aufnahmefähigkeit längst erreicht.
Kritisch beurteilte der Experte für Fluchtfragen die Rückführung nach Syrien: „In Aleppo gibt es keine einzige Baustelle“, beschrieb Müller die syrische Stadt, die er unlängst bereist habe. Nirgendwo gebe es Zeichen des Wiederaufbaus. Müllers Fazit: „Man kann Menschen nicht guten Gewissens nach Syrien zurückschicken.“
Hilfe im Hinblick auf Migrationsbewegungen dürften sich nicht auf die Geflüchteten beschränken, machte Müller klar. Auch die angestammte Bevölkerung eines Zufluchtslandes müsse beispielsweise einbezogen werden.
Auch sollten Aufnahmeländer wie der Libanon oder Jordanien unterstützt werden. „Wenn sie unter der Last sozial und ökonomisch zusammenbrechen, hätte das dramatische Folgen für die Region“, so der Experte.
Für eine Differenzierung in gesellschaftlichen Fragen hat sich Caritasdirektor Dr. Gerhard Tepe in seiner Begrüßung ausgesprochen. „Schwarz oder weiß ist zu wenig“, sagte er im Hinblick auf zunehmend komplexe Probleme. Es nutze populistischen Kräften, wenn schlechtgeredet werde, was der Sozialstaat leiste.
Auch eine Haltung „Me first – Ich zuerst“ in Anlehnung an Donald Trumps Prinzip „America first“ führe nicht weiter. Wenige Tage vor der Europawahl stellte er das durch den Kontinent Erreichte in den Mittelpunkt. Per Infoschreiben habe der Landes-Caritasverband die Mitarbeitenden in der oldenburgischen katholischen Wohlfahrt zum Urnengang aufgerufen.
Zu den Gästen gehörten neben Weihbischof Wilfried Theising zahlreiche Stifter, Vertreter aus Behörden und Unternehmen.
Zitate:
„Wenn es berechtigte Hoffnung gibt, will niemand sein Land verlassen.“
„Menschen sitzen in Afrika nicht auf gepackten Koffern.“
Dr. Oliver Müller, Leiter von Caritas internationaloHoff
Dietmar Kattinger
Referent für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
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